Madru
geben.«
»Sonst hast du keine Sorgen?«
Keuchend erreichte Allwiss die Weißdornhecke und tauchte in ihr unter. Zwei Baumnymphen warteten dort auf ihn. Die eine hielt eine Sanduhr in der Hand. »Abgelaufen«, sagte sie tadelnd, »und danach habe ich noch bis zwanzig gezählt.«
»Alles in Ordnung«, sagte der Zwerg, »er wird erscheinen, wie sie es wünscht. Man ist eben nicht mehr der Jüngste«, fügte er noch entschuldigend hinzu.
Wer steht dort? Wer ist denn das? Warumwassolldasdenn?
Nein, dieser Bart steht mir nicht. Plötzlich war Madru sein Ebenbild im Spiegel erschienen. Aus und vorbei. Ende der Vorstellung. Wie die das nur machen? Vielleicht stimmt alles gar nicht. Illusion. Böse Geister, die mir Angst und Schrecken einjagen wollen. Alissa ist … Alissa ist tot. Er sprach den Satz laut vor sich hin. Er begriff nicht, daß er laut wurde. Ein Gedanke kam ihm, an den klammerte er sich in seiner Verzweiflung. Wenn es stimmt, daß sie tot ist, gehe ich sie suchen. Ich gehe bis ins Totenreich. Ich schwöre es. Ich schwöre es bei der Möndin. Ich hier ... schlafe mit diesen zwei Ischen ... und Alissa tot. Ich schwöre, schwöre. Sei still. Davon wird sie auch nicht wieder lebendig.
Wer hat das gesagt?
Madru hörte die Katze laut miauen und die Stimmen der beiden Nebelfrauen. Es sei schon viel später als sie gemeint hätten. Man müsse aufbrechen, aber hoppla hopp. Ein bißchen Beeilung. »Wo steckt der Mann?«
Madru sprang die Treppe hinauf. Jenny Grünzahn kam ihm im Flur entgegen. Sie hatte wieder das Aussehen einer älteren, etwas verwahrlosten Person.
»Zu Mitternacht müssen wir dort sein. Nun beeil dich doch. Es ist halb zwölf«, rief sie aufgeregt über die Schulter ihrer Schwester zu. Die dreifarbige Katze saß am Treppengeländer und fauchte, als ob sie da auch noch ein Wörtchen mitzureden hätte. Jenny musterte sie und sagte dann: »Beim Arsch eines Matrosen. Das ist nicht unsere Katze. Ich wette, es ist Bru. Sie ist gekommen, um uns anzutreiben.«
»Was für'ne Kuh?« keifte Peg. Sie erschien auf der Schwelle des Schlafzimmers ohne Fenster und war gerade damit beschäftigt, sich die Haare zu richten. »Guten Abend, gute Nacht«, sagte sie, »ich fühle mich großartig. Was für ein Tag! Aber es ist ungezogen, daß man uns jetzt so hetzt. Nichts ist schöner als beim Aufstehen zu trödeln.«
»Wir sind spät dran. Da hat sie schon recht«, sagte Jenny und streichelte die Katze, »aber haben wir nicht noch etwas von dem feinen Mittelchen für danach?«
Sie griff sich an den Kopf und überlegte, wo sie dieses suchen müsse.
»Na klar«, sagte Peg und drängte sich an ihrer Schwester vorbei, »nur eben ... wir werfen in letzter Zeit ziemlich häufig was ein. Schadet auf die Dauer der Gesundheit, oder was meinst du?« Madru hatte da keine Meinung.
Peg öffnete in der Küche eine Schublade, griff in das Fach über den Gewürznelken und kam mit drei rotweißen Fingerhutblüten zurück.
»Nimm dir eine«, sagte sie zu Madru, »und setze sie dir auf den Deez.«
»Und was geschieht dann?«
»Du wirst es überleben«, sagte sie schnodderig.
Da sich auch die beiden Frauen Blüten auf den Kopf legten, schien es ihm kein allzu großes Risiko, es ihnen nachzutun. Kaum hatte er die Hand wieder weggenommen, wurde die Blüte größer und größer, bis sie seinen ganzen Kopf bedeckte wie ein kurioser Helm in Glockenblumenform. Gleichzeitig lief ein merkwürdiges Kribbeln durch seinen Körper. Es wurde ihm glühend heiß und dann wieder ganz kalt. Etwas schien in seinen Adern zu vibrieren. Er wollte gerade ausrufen: »Ich muß schon sagen, Jenny Grünzahn steht dieses Hütchen nicht übel!«, da fühlte er sich in Bewegung gesetzt. Er ritt auf keinem Schaukelpferd. Kein Besen trug ihn. Es war, als sei er in einen Kreisel verwandelt, der sich immer schneller drehe und dabei zu summen anfange. Für einen Augenblick wußte er nicht, wo oben und unten war. Dann stand er auf einer Wiese. In der Nähe sah man einen Steinkreis. Es roch würzig nach Heu. Viele Leute waren da. Sie standen in Gruppen zusammen, schienen auf etwas zu warten.
»Was hast du gerade sagen wollen, als wir abgeschwirrt sind, Schätzchen?« hörte er Peg fragen.
»Daß diese Kopfbedeckung Jenny besonders gut steht.«
»Du magst sie lieber als mich. Da kann man nichts machen«, klagte Peg und sah beleidigt drein.
»Wette gewonnen!« rief Jenny und gab Madru zwei schmatzende Küsse. »Bist'n lieber Kerl. Aber jetzt reden wir von
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