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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den ausgeflossenen Eiter bereits verklebt und es kostete große Mühe, bis die Chirurgen im Kreiskrankenhaus den Unterbauch soweit gereinigt hatten, daß keine Infektionsgefahr mehr bestand.
    Es war in der zweiten Woche seit diesem nächtlichen Vorfall, Anfang Mai, als in Stavenhagen ein weißer, kleiner Sportwagen Aufsehen erregte. Der Mann am Steuer, ein Jüngling mit langen, schwarzen Haaren, braungebrannt und von der müden Schlacksigkeit des Übersättigten, mietete ein Zimmer im Hotel ›Schwan‹ und fragte den Portier nach einem Bauern Fiedje Heckroth. Da im Moor jeder den anderen kennt, beschrieb man dem jungen Mann den Weg zu dem Moorhof, warnte ihn aber gleichzeitig vor den Tücken des Landes. »Am besten ist, Sie lassen sich hinbringen«, riet der Portier. »Ich gebe Ihnen einen Jungen mit, der Ihnen den Weg zeigt.«
    Am Abend hatten die Stammtische im ›Schwan‹ eine neue Sensation. Die Eintragung in das Meldebuch lautete: »Siegfried Plattner, St. Tropez – Riviera – France.«
    Von St. Tropez kannte man in Stavenhagen nur aus den Illustrierten die nabelfreien Hosen der Damen. Ein Duft von Verworfenheit und beneidenswerter Frauenkennerschaft ging seitdem Sigi Plattner voraus, wenn er im Lokal erschien, sich still in eine Ecke setzte und gelangweilt sein Essen einnahm.
    Der Junge, der Sigi Plattner zum Moorhof begleitet hatte, erzählte, daß der Mann ein komischer Vogel sei. Bis auf hundert Meter sei er an den Hof herangefahren, habe ihn dann durch ein großes Fernglas betrachtet, habe ihm, dem Jungen, fünf Mark Trinkgeld gegeben und sei wieder zurückgefahren.
    Am zweiten Tag fuhr Plattner allein ins Moor. Er kannte nun den Weg, und er besaß ein gutes Erinnerungsvermögen. Bis zu einer Birkengruppe fuhr er mit dem Wagen, stellte ihn dann ab und ging zu Fuß weiter.
    Der Hofhund Fiedjes, der sofort anschlug, kümmerte ihn nicht. Er umging das Wohnhaus und schlenderte, die Hände in den Hosentaschen, zu Stall und Scheune, fand eine windschiefe, kleine Tür und schlüpfte hinein.
    Er war in der Scheune, Strohballen und Heuhaufen lagen herum, ein Trecker war in eine durch Bretter getrennte Box gefahren, es roch nach Staub, trockenem Gras, feuchtem Holz und Stall.
    Sigi Plattner sah auf seine flache goldene Armbanduhr. Neun Uhr vormittags. Nach dem Tagesablauf, den er gelesen hatte, wurde um zehn Uhr Stroh geholt.
    Er setzte sich auf einen Heuhaufen, lehnte sich zurück, bezwang sich, nicht zu rauchen, und wartete.
    Kurz nach zehn rollte das Tor der Scheune zur Seite. Sonne flutete in das Halbdunkel des weiten Raumes, ein Mädchen in einer bunten Kittelschürze, die schwarzen Haare hochgesteckt, kam herein. Sigi Plattner nickte zufrieden. Es geschah alles wie erwartet.
    Das Mädchen blieb stehen, bückte sich, nahm einen großen, hölzernen Rechen vom Scheunenboden und begann, das auseinandergerissene Stroh zusammenzurechen. Sie schob es zu kleinen Haufen zusammen und näherte sich dabei dem Heustapel, an dem Sigi Plattner saß, ein stummer, zufriedener Beobachter.
    Sie ist noch schöner geworden, dachte er. Etwas kräftiger, gesunder, lebensnaher. Sie ist verdammt hübsch und hat nichts mehr an sich von den langweiligen Puppen, die auf den Partys herumlungern und Samtpfötchen geben wie schnurrende Kätzchen. Sie ist ganz anders geworden, fremder und doch anziehender … sie trippelt nicht mehr daher auf Stöckelschuhen, sondern sie geht und steht fest auf der Erde.
    Sigi Plattner beugte sich etwas vor. In die Stille der Scheune hinein sagte er laut:
    »Guten Morgen, Kaninchen –«
    Vivian v. Rothen fuhr herum. Der Rechen fiel aus ihren Händen. Sigi Plattner erhob sich aus dem Heu und klopfte die trockenen Grasfäden von seinem Anzug.
    »Da staunst du, was? Frisch importiert aus St. Tropez. In den Haaren habe ich noch das Mittelmeersalz. Komm her, Kaninchen, gib mir einen Kuß …«
    »Was willst du hier?« Vivian wich bis zu der Box des Treckers zurück und lehnte sich gegen die Bretter. Ihre Knie wurden weich. Sigi war gekommen. Der Mann, den sie als erstes ihrer Vergangenheit vergessen wollte. »Woher weißt du, daß ich hier arbeite?«
    »Dein Papa ist wieder auf Reisen. Der letzte Brief, den du geschrieben hast, lag bei euch herum. Für fünfzig Mark war eure Hausangestellte so höflich, nicht zu sehen, wie ich ihn las. Dein ganzer Tagesablauf stand darin … kann's was Besseres geben, als dich danach zu finden?«
    »Und was willst du hier?!«
    »Dich sehen, Kaninchen.« Plattner musterte sie

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