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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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daß du nicht krepiert bist«, sagte sie leise, aber Dr. Schmidt hörte es trotzdem in seinem Versteck. »Hast du was von Willi gehört?«
    »Nein. Warum?«
    »Er hat mir dreihundert Mark geklaut.«
    »Wieso geklaut? Was hat Willi mit dir zu tun?!«
    »Oh, viel, mein Teufelsbalg! Dein süßer Willi ist in der Familie geblieben, nur das Bett hat er gewechselt.«
    »Das lügst du! Das ist nicht wahr!« Hilde Marchinski nahm die Blumen und warf sie gegen die Wand. Die Blüten zerspritzten, es waren Tulpen, blaßrosa und schon halb verwelkt. Abfallblumen, übriggeblieben beim Händler. Als nächstes folgten die Pralinen. Sie klatschten gegen das Fenster und fielen hinter ein unbelegtes Bett. »Raus!« schrie Hilde. »Raus!« Sie ballte die Fäuste und schüttelte sie drohend gegen Lotte. »Du lügst! Was willst du überhaupt hier?!«
    »Ich will wissen, wo sich Willi aufhält. Wo ich das Luder suchen kann! Und du weißt, wo er seine Verstecke hat. Ich schlage dir die Augen aus dem dämlichen Nischel, bis du mir die Verstecke sagst –«
    Sie beugte sich vor. Hilde riß beide Arme hoch und versuchte, aus dem Bett zu springen.
    »Hilfe!« schrie sie. »Schwester … Hilfe …«
    Aus dem Nebenraum stürzten Dr. Schmidt und Julie Spange herein.
    Um die gleiche Zeit erhob sich aus dem Sessel im Büro des Chefredakteurs einer Wochenzeitung die elegante Erscheinung Helena v. Rothens.
    »Wenn das stimmt, was Sie uns berichtet haben, gnädige Frau, dann ist das – um im Fachjargon zu sprechen – ein Knüller! Ein Brummer!« sagte der Chefredakteur.
    »Es ist wahr.«
    »Wir werden ein Reporterteam hinschicken. Eine Mädchenstrafanstalt im Moor … unsere Leserinnen werden beim Lesen frieren!«
    »Man wird Ihre Reporter gar nicht vorlassen.«
    »Das sind fixe Jungs, gnädige Frau. Wenn die Türen verschlossen sind, kommen sie durch den Kamin, haha!« Der Chefredakteur überflog seine Notizen, die er sich von dem Gespräch mit Helena v. Rothen gemacht hatte. »Natürlich ist die Sache exklusiv.«
    »Natürlich.«
    »Sie haben noch mit keiner Redaktion darüber gesprochen?«
    »Nein.«
    Hier log Helena v. Rothen. Seit Wochen versuchte sie, die großen Blätter für Wildmoor zu interessieren. Sie war auf Ablehnung oder Interesselosigkeit gestoßen. Erst eine kleine Wochenzeitung, die von Alltagssensationen lebte, öffnete beide Arme für den Bericht.
    Der Chefredakteur begleitete Helena v. Rothen bis zu ihrem weißen Sportwagen, küßte ihr die Hand und rannte dann zurück in sein Büro.
    »Jack, Willi und Erich zu mir!« rief er ins Telefon und riß sich den Schlips herunter. »Ein dicker Knüller, wenn's stimmt. Beamtenwillkür, psychologische Experimente an straffälligen Mädchen und so weiter … das gibt 'ne Titelseite. Husch-husch … wir müssen die ersten sein …«
    Über Wildmoor zog sich eine Gewitterwolke zusammen, ein Sturm, der stark genug war, die Dächer abzudecken und das Lebenswerk Dr. Schmidts wegzublasen.
    Man hatte Lotte Marchinski aus dem Krankenrevier weggebracht. Es war gar nicht so einfach, und selbst die stämmige Julie Spange, die in ihrer Gefängnisbeamtenzeit schon manchen Renitenten mit einem festen Griff abgeführt hatte, benötigte mit Hilfe Dr. Schmidts den üblen Trick des Armaufdenrückendrehens, ehe Lotte, geifernd und schreiend und vollgestopft mit noch nie gehörten Fachausdrücken, wieder im Zimmer des Regierungsrates stand. Erst dort wurde sie wieder sanft, so plötzlich und gründlich, wie sie vorher eine wilde Megäre war, sank in einen der Besuchssessel und weinte laut.
    »So ein Luder habe ich nun als Tochter …«, greinte sie. »So ein Aas … Herr Direktor … lassen Sie die bloß nicht begnadigen, halten Sie die so lange fest, wie möglich … Die bringt mich um … ich sage es Ihnen … die bringt ihre eigene Mutter um …«
    »Wer ist Willi?« fragte Dr. Schmidt. Lotte Marchinski sah zu ihm hoch. Ihr zerstörtes Gesicht lag bloß, die dicke Puder- und Make-up-Schicht war durch die Tränen weggeschwemmt, was darunter lag, war die Fratze des Lasters und der dummen Frechheit.
    »Ein Bekannter von uns –«
    »Woher soll Hilde wissen, wo er ist?«
    »Sie haben gehorcht, Herr Direktor?«
    »Natürlich.«
    »So natürlich ist das nicht …«
    »Werden Sie nicht frech, Lotte, sonst liefere ich Sie gleich ab wegen des Vorfalls im Krankenzimmer! Sie wissen, was dann passiert?!«
    Lotte Marchinski zog einen Flunsch und lehnte sich zurück. »Ihr Bullen seid alle gleich«, sagte sie

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