Mädchen im Schnee
fünfzehn und siebzehn Jahren alt. Sie hat halblanges, hellbraunes Haar und grüne Augen.«
»War sie völlig nackt, als sie gefunden wurde?«, fragte Linus Saxberg, als wolle er den Wahrheitsgehalt von Magdalenas Artikel gegenprüfen.
»Ja, das stimmt«, antwortete Munther und sah sie über die Lesebrille hinweg an.
Magdalena hatte den Eindruck, als würde er ihr zuzwinkern.
»Wie ist sie gestorben?«
Saxberg beugte sich mit Block und Stift im Anschlag vor. Die weizenblonden Rastazöpfe fielen ihm über die Schultern.
»Dazu kann ich aus ermittlungstechnischen Gründen leider keinen Kommentar abgeben. Die gerichtsmedizinische Untersuchung wird wahrscheinlich morgen oder übermorgen abgeschlossen sein.«
Magdalena lächelte im Stillen.
»Ist sie sexuell misshandelt worden?«, fragte Saxberg.
»Bei der derzeitigen Lage können wir dazu noch nichts sagen«, beharrte Munther.
»Können Sie einen sexuellen Übergriff denn ausschließen?«
»Es tut mir leid. Ich verstehe, dass Sie ungeduldig sind, das sind wir alle. Aber wir können wie gesagt im Moment nichts bestätigen oder ausschließen.«
»Haben Sie Kontakt mit anderen Polizeibezirken aufgenommen?«, fragte Magdalena. In diesem Moment begann Munthers Handy vor ihm auf dem Tisch zu vibrieren.
»Das haben wir natürlich getan, wir arbeiten einen Bezirk nach dem anderen ab, aber auch das hat bisher leider nichts gebracht.«
Munther steckte das Mobiltelefon ein und erhob sich. Die Pressekonferenz war offenbar beendet.
Magdalena steckte Block und Stift in die Tasche und schob die Arme in ihre Jacke, die über der Stuhllehne hing. Das war sonderbar mit diesem Mädchen. Wer könnte sie sein? Und wo war Hedda Losjö? Eine tote Minderjährige, dazu noch ein Mädchen, das spurlos verschwunden war, und das alles in ein und derselben kleinen Gemeinde. Was war hier eigentlich los?
Sie konnte sich nicht erinnern, wie lange sie mit angezogenen Beinen und den Knien unter dem Kinn auf dem Bett gesessen hatte. Aus der unteren Wohnung drang leise Musik herauf, und durch die Wand konnte sie Kostas und Sergejs gedämpftes Murmeln hören. Die Angst zerrte und kratzte und wühlte in ihrem Brustkorb. Sie atmete in kurzen Stößen durch die Nase.
Sie war selbst erstaunt darüber, dass sie sich plötzlich erhob, die Tür aufmachte und barfuß in die Küche ging. Als sie bemerkten, dass sie in der Tür stand, unterbrachen Sergej und Kosta ihr Gespräch.
»Was willst du?«, fragte Kosta.
»Wann kommt Ana zurück?«
Sergej grinste, lehnte sich auf dem Stuhl zurück und zündete sich eine neue Zigarette an.
»Wieso denn?«, fragte er und blies den Rauch durch die Nase. »Ein Kunde wollte sie eine Weile behalten, und deshalb ist sie dageblieben.«
Er sieht aus wie der Teufel persönlich, dachte sie. Er ist der Teufel.
»Ich will einfach nur wissen, wann sie zurückkommt.«
»Fühlst du dich überarbeitet, wo du jetzt alles allein machen musst? Keine Sorge. Bald kommen noch mehr Mädchen. Dann kannst du dich wieder ein bisschen ausruhen.«
Kosta lachte.
»Genau. Aber die hier mit den kurzen Haaren sieht aus wie ein Junge. Guck mal.« Er griff aus dem Durcheinander auf dem Tisch ein Foto und hielt es ihr hin: »Was meinst du? Das müssen wir wohl etwas näher untersuchen, wenn sie kommt.«
Jetzt war Sergej an der Reihe zu lachen.
»Und wann kommt Ana?«
»Wenn der Kunde sie leid ist.«
Plötzlich waren alle Angst und alle Vernunft wie weggeblasen. Noch ehe sie sich besinnen konnte, war sie zu Kosta gestürzt, hatte ihm das Foto aus der Hand gerissen und ihn ins Gesicht geschlagen.
»Ihr Schweine! Ich hasse euch!«
Sie schrie so laut, dass ihr der Hals weh tat und hämmerte mit den Fäusten auf Kosta ein, sie schlug und schlug, bis Sergej sie sich schnappte und auf den Küchenfußboden warf.
Sie sah zu ihm hoch, sah seine aufgerissenen Augen, die Zigarette zwischen seinen Lippen, und die Hände, die sich ballten und öffneten, ballten und öffneten, als könnte er sich nicht entscheiden, was er machen sollte.
Der Tritt traf sie genau in den Bauch. Dann drehte Sergej sich zum Tisch um, drückte die Zigarette aus und begann, seinen Gürtel aus der Hose zu ziehen.
»Du miese kleine Hure«, flüsterte er. »Ich dachte, du wüsstest, worauf es ankommt. Aber scheinbar wirst du es nie lernen.«
Tore balancierte die Kartoffeln und das Hacksteak mit einem Löffel von der Plastikdose auf den Teller. An dem Essen auf Rädern gab es eigentlich nicht viel auszusetzen, auch
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