Mädchen im Schnee
blendender Lichtstrahl, dann rot.
Am Ende war alles nur Dunkelheit.
8
Sven Munther rieb sich das Gesicht, um seine Müdigkeit zu vertreiben.
»Ihr habt gestern gute Arbeit gemacht, und zwar alle, ohne Ausnahme«, sagte er. »Aber heute ist ein neuer Tag. Wir warten immer noch auf Antwort, ob das tote Mädchen Hedda Losjö ist oder nicht. Mit etwas Glück wissen wir heute Nachmittag schon, wer die Tote ist.«
Munther machte wie ein Lehrer der alten Schule eine kleine Kunstpause, ehe er fortfuhr:
»Wenn ich das richtig verstehe, haben wir bisher keine konkrete Spur, die wir verfolgen können. Irgendwelche interessanten Zeugenaussagen?«
Er sah sich fragend in der Runde um.
»Nein, niemand hat etwas von Bedeutung gesehen«, antwortete Urban Bratt. »Aber es ist auch schwer für die Leute, uns zu helfen, wenn wir nicht wissen, wann das Mädchen in den Erdkeller gebracht worden ist.«
»Stimmt«, sagte Munther. »Und obwohl wir immer noch nicht wissen, ob das Mädchen Hedda ist oder nicht, dürfen wir Fredrik Anderberg nicht vergessen.«
Was konnte eine fünfunddreißigjährige Frau nur an dem finden, dachte Christer und betrachtete seinen Chef. Schließlich war er sechzig Jahre alt. Er musste einen völlig unbekannten Charme oder ein heimliches Talent besitzen. Das war kein böswilliger Gedanke, sondern mehr ein stilles Rätseln. Christer mochte seinen Chef sehr, zumal dieser seit dem ersten Praktikum während der Ausbildungszeit sein Mentor gewesen war und zwischenzeitlich auch als so etwas wie ein Ersatzvater fungiert hatte. Als Munther von seiner unerwarteten Liebesgeschichte erzählt hatte, hatte Christer sich aufrichtig für ihn gefreut. Aber wundern durfte man sich ja trotzdem.
»Was meinst du, Berglund?«
Christer zuckte zusammen.
»Sitzt du hier und schläfst?«
Munther verzog keine Miene, aber Christer bemerkte trotzdem das wohlwollende Zwinkern in seinen Augen.
»Berglund und Wilander sind die Hauptverantwortlichen für die Mordermittlungen und die Jagd nach Zeugenaussagen. Bratt, du kannst die Sache mit den Lagereinbrüchen erst mal ruhen lassen und übernimmst zusammen mit Folke diesen Fredrik Anderberg. Ihr könnt damit anfangen, noch mal zu seiner Lebensgefährtin zu fahren um herauszufinden, ob sie etwas von ihm gehört hat, oder ob ihr möglicherweise was eingefallen ist, wo er sich versteckt halten könnte.«
Urban nickte, sagte aber:
»Kriegen wir das hier wirklich alleine hin? Ich meine, ist das nicht ein typischer Fall für die von der Mordkommission beider Überregionalen?«
»Wir fangen erst mal so an, dann sehen wir weiter. Die ganze Sache kann sich auch schneller und einfacher auflösen, als wir es jetzt gerade befürchten.«
Munther will vor der Pensionierung noch einen würdigen Abschluss hinlegen, dachte Christer, er will zeigen, dass wir das hier auch alleine stemmen, und dass wir nicht so inkompetent sind, wie die unten in Karlstad denken.
»Ich kümmere mich um die Rechtsmedizin und halte euch auf dem Laufenden«, fuhr Munther fort. »Auf geht’s.«
Als die Kollegen vom Tisch aufstanden, hörte man nur das Scharren der Stühle, dann verließen alle das Zimmer.
Die Frage ist nur, dachte Christer, ob wir seine Erwartungen erfüllen können.
Magdalena legte beide Zeitungen vor sich auf den Tisch, nahm einen Schluck Kaffee und verglich die Artikel. Jens Sundvalls Bild, auf dem man die Leiche im Zelt auf der Bahre wie eine scharfe Silhouette sah, dominierte die erste Seite des Värmlandsbladet . Jens hatte recht gehabt.
Die Länstidningen konnte nicht viel bieten. Ihr Foto war so verschwommen, dass man kaum ahnen konnte, was darauf zu sehen sein sollte.
Magdalena grinste und blätterte schnell in der Länstidningen vor zum Artikel. Auch hier musste sich der Konkurrent geschlagen geben. Keine Zeugenbefragung, nur ein einziger kurzer Artikel, der hauptsächlich ein Konglomerat aus nichtssagenden Polizeizitaten war.
Sie war zufrieden.
Der Tag zuvor war erstaunlicherweise der beste Arbeitstag seit Jahren gewesen. Adrenalin und widerstreitende Gefühle waren auf Hochtouren gelaufen. Und jetzt durfte sie noch der Länstidningen auf die Finger klopfen. Genugtuung durchströmte sie.
Im Unterschied zu Linus Saxberg hatte Magdalena Christer noch dazu gebracht, Ulrica Thellins Information zu bestätigen, dass es sich um eine sehr junge Frau handelte, und dass sie nackt aufgefunden worden war.
Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte.
» Värmlandsbladet . Magdalena
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