Mädchen im Schnee
ihrem Job, das konnte er spüren, aber es stresste ihn, dass sie die ganze Zeit anrief. Es war schwierig, professionell zu bleiben, wenn sie mit ihrer Art zu reden ankam. In den letzten Jahren hatte er fast vergessen, wie schön sie war.
Polizeichef. Doch, das wäre eine schöne Revanche.
Magdalena zog Nils die Decke bis zum kleinen Kinn, setzte sich auf die Bettkante und legte die Hand auf seinen Brustkorb.
»Hast du Lust, morgen zu Papa zu fahren?«
»Ja.«
Nils’ Wangen waren rot nach einem langen Abend im Schnee mit Melvin. Sie musste sich einen anständigen Wäschetrockner anschaffen. Der Heizungskeller war zwar recht warm, aber es würde trotzdem nicht leicht werden, den Overall über Nacht trocken zu kriegen.
Plötzlich sah Nils besorgt aus.
»Du, Mama?«
»Ja, woran denkst du?«
»Wie lange werde ich Bus fahren müssen?«
»Ungefähr vier Stunden.«
»Wie lange ist das?«
Magdalena lächelte. Zeit musste immer erklärt werden.
»Na ja, wie soll ich sagen. Wie viermal Kinderstunde.«
»Das ist aber riesig, riesig, riesig lange.«
Magdalena sah, wie Nils feuchte Augen bekam.
»Warte mal ab, es wird ganz prima gehen. Der Busfahrer kümmert sich um dich, und wenn ihr ankommt, dann steht Papa da und wartet schon.«
»Aber wenn er zu spät kommt?«
»Das wird er nicht. Nicht wenn du kommst. Er hat sich doch so auf dich gefreut.«
Nils antwortete nicht, sondern blickte zur Decke. Magdalena sah, wie das Kinn zuckte, als kämen ihm die Tränen.
Plötzlich hatte sie ein schlechtes Gewissen. War Nils vielleicht doch noch zu klein für die langen Busreisen?
»Was wollt ihr denn am Wochenende machen?«, fragte sie, um ihn abzulenken.
»Weiß nicht. Vielleicht fahren wir zum Junibacken. Wenn Ebba Lust hat.«
»Okay. Dann hoffen wir mal, dass sie Lust hat, denn das klingt doch spaßig.«
»Ja.«
Wieder verstummte Nils und wurde nachdenklich.
»Du, Mama, ist unser Iglu noch da, wenn ich zurückkomme?«
»Aber natürlich. Du wirst schließlich nur zwei Nächte weg sein. In der Zwischenzeit wird Melvin sich darum kümmern.«
Magdalena strich ihm übers Haar.
»Mach dir keine Sorgen, um den Iglu nicht, und auch nicht wegen der Busreise. Das wird ganz prima gehen. Morgen kommt Opa und holt dich in der Tagesstätte ab, und dann fährt er dich nach Filipstad und winkt dir, wenn der Bus losfährt. Und am Sonntag komme ich und hole dich ab.«
Nils nickte schläfrig.
»Gute Nacht, mein Lieber.«
Magdalena beugte sich vor und küsste ihn sanft auf Stirn, Nase und Mund, das übliche Ritual. Dann schaltete sie das Licht aus.
»Ich hab dich lieb, Nils.«
Petra wälzte sich im Bett hin und her und konnte keine Ruhe finden. Die Gedanken kreisten von dem kleinen nackten Körper auf dem Kellerboden zu dem jämmerlichen Laut von Gabriella Losjö am Küchentisch und weiter zu Nellie hinter ihrem Computer. Dann wieder zurück zu dem Mädchenkörper.
»Kannst du nicht schlafen?«, fragte Lasse in der Dunkelheit.
»Nein.«
Petra schüttelte die Decke, um ein wenig Kühle zu bekommen, und legte sich auf den Rücken.
»Ist es die Arbeit?«
»Ja. Es fällt schwer loszulassen, wenn es um junge Mädchen geht. Das könnte unsere Nellie sein.«
»Sag doch so was nicht«, meinte Lasse.
»Aber es ist ja wahr. Heute Abend hat sie sich wieder mit dem Computer eingeschlossen. Da kann sie alle möglichen Geheimnisse haben, Treffen ausmachen, Nacktfotos von sich selbst einstellen, und wir haben keine Ahnung davon.«
Lasse suchte nach ihrer Hand auf der Decke und drückte sie leicht.
»Denkst du das nie?«, fragte sie.
»Nein. Das tue ich nicht. Es ist doch nur dumm, sich unnötige Sorgen zu machen. Nellie kommt schon klar. Das war schon immer so.«
Petra drückte seine Hand und schloss die Augen, doch es würde lange dauern, bis sie an diesem Abend einschlafen konnte.
9
»Ich habe eben das Protokoll aus Linköping bekommen«, sagte Sven Munther und wedelte mit ein paar Blättern, bevor er sich auf seinen angestammten Platz am Konferenztisch setzte.
Christer Berglund, Petra Wilander, Urban Bratt und Folke Natt och Dag hielten jeder ihren Notizblock bereit und warteten auf die Fortsetzung.
»Das Mädchen muss also, genau wie wir vermutet haben, um die sechzehn Jahre alt gewesen sein«, fuhr Munther fort. »Die Todesursache war, wie auch schon angenommen, ein Schuss in den Hinterkopf mit einer großkalibrigen Pistole, 11 , 4 Millimeter. Der Schuss muss aus nächster Nähe abgegeben worden sein. Der Körper des
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