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Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Spark
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werden.
    Er war etwa zweiunddreißig und war einer von Selinas schwachen Männern. Seine Schwäche bestand in seiner geradezu überwältigenden Angst vor seiner Frau. Er traf peinlichste Vorsorge, nicht während der gemeinsamen ländlichen Wochenenden mit Selina im Bett überrascht zu werden, obwohl seine Frau in Kalifornien war. Wenn er die Tür ihres Schlafzimmers verschloß, sagte Felix sorgenvoll: «Ich möchte Gareth nicht verletzen», oder etwas ähnliches. Als er es das erste Mal tat, sah ihn Selina, die rank, schlank und schön in der Badezimmertür stand, mit großen Augen an. Sie begriff nicht, was mit ihm los war. Er war immer noch ängstlich und versicherte sich erneut, daß die Tür auch wirklich zu war. Später, am Sonntagmorgen, wenn es nach dem Frühstück wegen der Brotkrumen schon etwas ungemütlich im Bett war, versank er in tiefes Nachdenken und war weit weg. Dann sagte er wohl: «Ich hoffe nur, Gareth wird dieses Versteck nie herausfinden.» Das war auch der Grund, warum er Selina nicht uneingeschränkt zu besitzen wünschte. Und da sie schön war und durchaus imstande, auch sonst Besitzwünsche zu wecken, fand sie das ganz in Ordnung so, vorausgesetzt, daß der Mann anziehend genug war, um mit ihm zu schlafen und mit ihm auszugehen, und daß er ein guter Tänzer war. Felix war blond und seine Erscheinung hatte etwas zurückhaltend Aristokratisches, das er ererbt haben mußte. Er sagte selten etwas wirklich Witziges, war aber bereit, fröhlich zu sein. An diesem Sonntagnachmittag im May of Teck Club schlug er vor, nach Richmond zu fahren. Das war mit dem Auto von Knightsbridge aus ein weiter Weg. In jenen Tagen, da das Benzin so knapp war, fuhr niemand zum Vergnügen – es sei denn im Wagen eines Amerikaners, wo man die vage, irrige Vorstellung hatte, daß deren Fahrzeuge ja mit ‹amerikanischem› Benzin liefen und daß man sich dabei nicht einer Gewissensbelastung angesichts der strengen britischen Restriktionen aussetzte, oder der vorwurfsvollen Frage nach der Notwendigkeit der Fahrt, die an allen Brennpunkten des öffentlichen Verkehrs plakatiert war.
    Jane, die beobachtete, wie Selina ihren Blick lange voller Gelassenheit und Gleichmut auf Nicholas ruhen ließ, sah sofort voraus, daß man sie auf den vorderen Sitz neben Felix placieren würde, während Selina in ihrer kokett-füssigen Haltung in den Fond des Wagens steigen würde, wo dann Nicholas neben ihr Platz nehmen würde. Das Ganze – auch das sah sie voraus – würde sich mit zwangloser Eleganz arrangieren. Sie hatte nichts gegen Felix, aber sie konnte kaum hoffen, ihn für sich zu gewinnen, da sie einem Mann wie Felix nichts zu bieten hatte. Dagegen glaubte sie Nicholas einiges, wenn auch nicht viel, bieten zu können, und zwar ihre geistigen Vorzüge und ihre literarischen Interessen, die ja Selina abgingen. Tatsächlich aber verkannte sie Nicholas – den sie vage für einen attraktiveren Rudi Bittesch hielt –, wenn sie sich einbildete, er könnte mehr Vergnügen und Selbstbestätigung bei einem Mädchen mit literarischen Neigungen finden, als bei einem Mädchen schlechthin. Es war das Mädchen in Jane, das Nicholas bewogen hatte, sie auf der Party zu küssen, und sie wäre vielleicht ohne ihre literarische Neigung mit Nicholas weiter gekommen.
    Diesen Fehler machte sie immer wieder in ihren Beziehungen zu Männern: sie unterstellte ihnen aus ihrer eigenen Vorliebe für Literatur und Literaten, daß auch sie literarisch interessierte Frauen bevorzugten. Und es kam ihr nie in den Sinn, daß Männer, auch Literaten, wenn sie überhaupt Frauen mögen, nicht Literatinnen, sondern eben Frauen haben wollen.
    Was aber ihre Voraussage über das Sitzarrangement im Auto anging, so behielt Jane recht. Und gerade dieses sich immer wieder bestätigende, sehr genaue Einfühlungsvermögen bei gewissen Details trug ihr später in ihrer Karriere den Ruf einer geradezu prophetischen Klatsch-Kolumnistin ein.
    Inzwischen füllte sich der brauntapezierte Salon mit zirpendem Leben. Die Mädchen kamen mit Tabletts voller Kaffeetassen vom Speisesaal herein. Den drei alten Jungfern Greggie, Collie und Jarvie wurden die Gäste vorgestellt, wie das ihr angestammtes Recht war. Sie setzten sich auf harte Stühle und gossen den Kaffee für die Jüngeren ein, die es sich bequem machten. Collie und Jarvie befanden sich, wie jedermann wußte, in einem religiösen Streit miteinander, aber sie versuchten bei dieser Gelegenheit, ihre Differenzen zu verbergen.

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