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Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Spark
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Stockwerk zugänglich war, grenzte, nur durch eine schmale Dachrinne davon getrennt, an ein ähnlich flaches Dach des benachbarten Hotels. Das Hotel war requiriert und seine Räume waren in Büros des amerikanischen Nachrichtendienstes verwandelt worden. Wie viele andere requirierte Gebäude in London war es während des Krieges in Europa mit Personal überfüllt gewesen und stand nun praktisch leer. Nur die oberste Etage des Hotels, wo uniformierte Männer sich Tag und Nacht geheimnisvoll zu schaffen machten, und das Erdgeschoß, wo Tag und Nacht zwei amerikanische Soldaten Wache hielten und ein Tag- und ein Nachtportier Dienst taten, die zugleich den Lift bedienten, wurden noch benutzt. Niemand konnte das Haus ohne Ausweis betreten. Nicholas fiel es nicht schwer, einen solchen Ausweis zu bekommen, und er erhielt auch – auf ein paar Worte und einen Blick hin – von Oberst Dobell, dessen Frau schon unterwegs war, die durchaus zweideutige Erlaubnis, in ein großes Büro im Dachgeschoß umzuziehen, das früher als Raum für die Schreibkräfte benutzt worden war. Der Form halber bekam Nicholas auch einen Schreibtisch. Der Raum hatte eine Luke, die auf das flache Dach hinausführte.
    Wochen waren vergangen. Und da sie für den May of Teck Club Wochen einer Jugend waren, für die die Moral des Krieges galt, konnten sich in ihnen rasch Ereignisse und Veränderungen zusammendrängen, rasch intime Freundschaften und eine Folge von hoffnungslosen und neu aufsprießenden Liebesbeziehungen bilden, die im späteren Leben und in Friedenszeiten Jahre gebraucht hätten, um zu entstehen, zu wachsen und dahinzuwelken. Die May of Teck -Mädchen gingen äußerst sparsam mit der Zeit um. Nicholas, der seine Jugend hinter sich hatte, war tief schockiert über ihre von Woche zu Woche wechselnden Gefühle.
    «Ich dachte, du hast gesagt, sie liebte diesen Jungen?»
    «Hat sie auch.»
    «Nun ja, ist er denn nicht erst letzte Woche gestorben? Du sagtest doch, er starb an Dysenterie in Burma.»
    «Ja, ich weiß. Aber nun hat sie am Montag diesen Marineknaben kennengelernt und ist wahnsinnig verliebt in ihn.»
    «Sie kann nicht verliebt in ihn sein», sagte Nicholas.
    «Sie sagt, sie hätten so vieles gemeinsam.»
    «Vieles gemeinsam? Heute ist doch erst Mittwoch.»
     
    Wie einer auf einsamem Pfade,
    In Furcht und in Ängsten wohl geht,
    Sich umsieht verstohlen und forteilt
    Und nie mehr den Kopf auch nur dreht
    Wohl wissend ein Dämon verfolgt ihn,
    Dessen Atem im Nacken ihm weht.
     
    «Joanna ist fabelhaft, wenn sie das vorträgt, ich liebe es.»
    «Arme Joanna.»
    «Warum sagst du ‹arme Joanna›?»
    «Ach, sie hat so gar keinen Spaß, gar keine Freunde.»
    «Sie ist ungeheuer attraktiv.»
    «Unglaublich attraktiv. Warum kümmert sich eigentlich niemand um Joanna?»
     
     
    «Schau her, Nicholas», sagte Jane, «du solltest einiges über Huy Throvis-Mew als Firma und George als Verleger wissen.»
    Sie saßen im Büro von Throvis-Mew, hoch über dem Red Lion Square. George war ausgegangen.
    «Er ist ein Gauner», sagte Nicholas.
    «Na, das ist vielleicht ein bißchen hart ausgedrückt.»
    «Er ist ein Gauner mit Nuancen.»
    «Das trifft es auch nicht ganz. Es hat psychologische Gründe bei George. Er muß die Autoren einfach klein kriegen.»
    «Das weiß ich», sagte Nicholas. «Er hat mir einen langen gefühlvollen Brief geschrieben, in dem er eine Menge an meinem Buch auszusetzen findet.»
    «Er möchte dein Selbstvertrauen brechen, verstehst du, und einen miserablen Vertrag mit dir schließen. Er findet immer die schwachen Punkte bei einem Autor. Er greift genau die Stellen an, die der Autor für seine besten hält. Er –»
    «Das weiß ich alles», sagte Nicholas.
    «Ich erzähle dir das auch nur, weil ich dich mag», sagte Jane. «Das gehört ja gerade zu meinen Aufgaben, die Schwächen eines Autors ausfindig zu machen und George darüber zu berichten. Aber ich mag dich und erzähle dir das alles, weil …»
    «Du und George», sagte Nicholas, «ihr macht mir das undurchdringliche Lächeln der Sphinx ein wenig verständlicher. Und ich will dir noch etwas anderes sagen.»
    Hinter der schmutzigen Fensterscheibe fiel von einem sich verdunkelnden Himmel Regen auf die zerbombten Häuser am Red Lion Square. Jane hatte wie abwesend hinausgeschaut, bevor sie mit ihrer Enthüllung begann. Erst jetzt nahm sie das Bild da draußen wirklich wahr. Der trostlose Anblick tat ihren Augen weh, und ihr ganzes Leben schien ihr in einer ähnlichen

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