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Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Spark
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und eine halbe Stunde später, wenn niemand oder nur noch wenige sich in der Halle aufhielten, heimlich zurückzukommen.
    In den Fällen, wo man Pauline nach so kurzer Zeit wieder zurückkehren sah, hatte sie sich ganz überzeugend benommen.
    «Himmel, schon zurück, Pauline? Ich dachte, du seist aus zum Dinner mit …»
    «Ach, sprich mich nicht an. Wir haben uns gezankt.» Pauline preßte mit der einen Hand ein Taschentuch an ihre Augen, lüpfte mit der anderen den Saum ihres Kleides und lief schluchzend die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
    «Sie muß sich wieder einmal mit Jack Buchanan gestritten haben. Komisch, daß sie ihn nie hierher mitbringt.»
    «Glaubst du daran?»
    «Woran?»
    «Daß sie mit Jack Buchanan ausgeht?»
    «Nun, ich hab mich auch schon gefragt …»
    Pauline sah verstört aus, und Nicholas sagte ganz unbekümmert zu ihr: «Wo kommen Sie denn her?»
    Sie kam auf ihn zu, starrte ihm ins Gesicht und sagte: «Ich habe mit Jack Buchanan diniert.»
    «Sie haben Churchills Rede versäumt.»
    «Ich weiß.»
    «Wollte Jack Buchanan Sie denn gleich nach dem Dinner loswerden?»
    «Ja, genau das, wir hatten Krach.»
    Sie warf ihr schimmerndes Haar zurück. An diesem Abend war es ihr gelungen, das Schiaparelli-Kleid auszuleihen. Es war aus Taft und zu beiden Seiten waren geschickt ausgearbeitete kleine Polster wie Tournüren über den Hüften angebracht. Es hatte ein Blumenmuster in dunkelblau, grün, orange und weiß, das an Inseln im Pazifik erinnerte.
    «Ich glaube, ich habe noch nie ein so fabelhaftes Kleid gesehen», sagte Nicholas.
    «Schiaparelli», sagte sie.
    «Ist es das Kleid, das ihr euch immer gegenseitig pumpt?»
    «Wer hat Ihnen das erzählt?»
    «Sie sehen schön aus», erwiderte er.
    Sie raffte ihren raschelnden Rock und schwebte die Treppe hinauf.
    Oh, ihr minderbemittelten Mädchen!
    Nachdem die Wahlrede zu Ende war, drehten alle das Radio für eine Weile ab, wie aus Hochachtung vor dem, was gerade durch den Äther zu ihnen gedrungen war.
    Er näherte sich dem Büro, dessen Tür weit offenstand. Es war immer noch leer. Die Clubleiterin, die ihren Posten für die Dauer der Rede verlassen hatte, kam hinter ihm her.
    «Ich warte immer noch auf Miss Redwood.»
    «Ich werde sie noch einmal anrufen. Sie hat zweifellos auch die Rede gehört.»
    In diesem Augenblick kam Selina herunter.
    ‹Haltung ist vollkommenes Gleichgewicht, eine Ausgeglichenheit von Körper und Geist.› Sie schwebte das Treppenhaus hinab, und zwar womöglich noch leibhaftiger, als die traurige Partnerin von Jack Buchanans Geist, die vor wenigen Augenblicken hinaufgeschwebt war. Es hätte dasselbe Mädchen sein können, das da in einem Seidengeraschel von Schiaparelli und einem Helm von schimmerndem Haar die Treppe hinaufgeschwebt war, und das jetzt in einem schmalen Rock und einer blauweißgepunkteten Bluse, das Haar nach oben getürmt, treppab schwebte. Die normalen Geräusche des Hauses setzten wieder ein. «Guten Abend», sagte Nicholas.
     
    All meine Tage sind Entrücken,
    All meine Nächte Traum und Glanz,
    Wo dunkle Augen mich entzücken,
    Wo in beschwingtem Engelstanz
    Mich deine Schritte hold beglücken
    An ew’gen Strömen fernen Lands.
     
    «Und nun noch einmal», ertönte Joannas Stimme.
    «Gehen wir», sagte Selina und schritt ihm voran in das Abendlicht hinaus, wie ein Rennpferd in die Bahn, völlig unberührt von allen Geräuschen um sie herum.
     

 
     
     
     
     
     
    7
     
     
    «Hast du einen Shilling für die Gasuhr?» fragte Jane.
    «Haltung ist vollkommenes Gleichgewicht, eine Ausgeglichenheit von Körper und Geist, vollkommene Gelassenheit in jeder gesellschaftlichen Situation. Elegante Kleidung, makelloses Gepflegtsein und ein vollendetes Benehmen tragen dazu bei, Selbstvertrauen zu gewinnen.»
    «Kannst du mir zwei Sixpence in einen Shilling umwechseln?»
    «Nein. Aber Anne hat einen Schlüssel, mit dem man die Gasuhr aufmachen kann.»
    «Anne, bist du da? Würdest du mir einmal den Schlüssel leihen?»
    «Wenn wir alle anfangen, ihn dauernd zu benutzen, werden sie uns erwischen.»
    «Nur dieses eine Mal. Ich muß geistig arbeiten.»
     
    Bald schläft das rosenrote Blatt, und bald das weiße.
     
    Selina saß schon wieder halb angezogen auf Nicholas’ Bettkante. Sie hatte eine Art, schräg unter ihren Lidern hervorzublicken, die sie eine Situation beherrschen ließ, in der sie sonst die Schwächere gewesen wäre.
    Sie sagte: «Wie kannst du nur hier wohnen?»
    Er sagte: «Es genügt mir, bis

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