Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
den Raum verließ.
Zitternd öffnete sie es und hielt eine silberne Rassel mit einer Gravur in den Händen.
Junge, Name und Herkunft unbekannt. Geboren am 07. Oktober.
Monika wäre fast zusammengebrochen. Wenn sie nicht irrte, war das der heutige Tag.
Als Dani erwachte, waren ihre Brustspitzen geschwollen, und ihr tat auf angenehme Weise jeder Muskel weh. Der Platz neben ihr war leer. Sie blickte sich um, und dabei stieg ihr der Duft von Kaffee in die Nase. Sie zog sich Mitchs Hemd an und ging in die Küche. An der Kaffeekanne klebte ein Zettel: Ich bin nicht weggegangen. Unterzeichnet mit einem schlichten M.
Gefühle wallten in ihr hoch, und es schnürte ihr die Kehle zu. Erst die Erleichterung, dass er nicht fort war, dicht gefolgt von Abscheu. Seit wann gehörte sie zu der Sorte Frau, die sich darüber Gedanken machte, ob ein Mann anwesend war oder nicht?
Seit es sich bei dem Mann um Mitch Sheridan handelte.
Die Küchentür wurde geöffnet, und ihr Puls beschleunigte sich. Mitch kam herein, in Jeans und einem T-Shirt, seine Wangen noch mit Bartstoppeln bedeckt. Er trug ein großes, gerahmtes Foto in der Hand und lehnte es gegen die Wand. Schnurstracks ging er auf Dani zu und küsste sie. Dann zog er sich von ihr zurück und grinste sie an. »Keine schlechte Methode, den Tag zu beginnen«, stellte er fest.
»Du hast bereits vor acht Uhr gute Laune? Wusste ich’s doch, dass es irgendwo einen Haken an der Sache gibt.«
»Blödsinn. Es gibt keinen Haken. Ich habe dir gesagt, dass es dieses Mal anders wird.«
Er ging zum Küchenregal, griff nach zwei Bechern und reichte Dani einen davon. »Deinetwegen muss ich das ganze Konzept der Ausstellung im ersten Ballsaal umwerfen.«
»Warum meinetwegen?«, fragte Dani verwirrt.
»Das erzähle ich dir später. Jetzt muss ich mich an die Arbeit machen und habe leider keine Zeit, mir den Kopf zu zerbrechen, ob du in Sicherheit bist.«
Sie straffte die Schultern. »Soll das heißen, du willst, dass ich mich im Motel verkrieche?«
»Das fiele mir nicht im Traum ein«, sagte er, stellte sich aber ebenfalls aufrechter hin, so dass er sie noch deutlicher überragte. Eine Pose, die man durchaus als kleines Machtspiel interpretieren könnte. »Ich weiß, dass du die Kinneys besuchen willst. Und heute an Rosies Beerdigung teilnimmst. Ich bitte dich bloß, dich regelmäßig zu melden, wenn du irgendwo allein unterwegs bist – ob bei mir oder Tifton, ist mir egal.« Er zeichnete mit dem Finger die Kontur ihres Kiefers nach. »Ich bitte dich, dass du auf dich achtgibst und heil zu mir zurückkehrst. Ich könnte es nicht ertragen, dich ein zweites Mal zu verlieren.«
Danis Wangen röteten sich. »Verdammt, wie soll ich denn so mit dir streiten?«
Mitch lächelte. »Gar nicht.«
»Was hat es mit dem Foto auf sich?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
Er stellte seinen Kaffeebecher ab, ging zu dem Rahmen und drehte ihn so, dass Dani ihn betrachten konnte. »Eines der Fotos aus Ar Rutbah. Am Tag des Angriffs auf das Lager.«
»Oh, Mitch«, entfuhr es Dani überrascht. Es war ein Schwarzweißfoto von einem kleinen Jungen und einem gefleckten Hund, die sich in der Wüste ein Stück Fladenbrot teilten. Im Hintergrund war ein Mann zu sehen, der einen Raketenwerfer gegen die Schulter gestützt hielt. Die Aufnahme war anrührend und inspirierend zugleich. »Ist er das?«, fragte Dani. »Der Junge, von dem du letzte Nacht gesprochen hast?«
Mitch nickte, und die Muskeln an seinem Kiefer spannten sich an.
»Was hast du damit vor?«
»Es braucht ein neues Passepartout. Wirklich zu dumm. Russell hat immer penibel auf die Verarbeitung geachtet.«
»Inwiefern?«
Mitch hielt den Rahmen ein wenig schräg und deutete mit dem Finger auf eine Ecke. »Siehst du die Schneidespuren dort?«
Dani ging näher ran und sah genau hin. Sie entdeckte drei Kartonlagen – alle in verschiedenen Grautönen, um den Charakter der Fotografie zu unterstreichen.
»Sie sind schlecht geschnitten. Gute Passepartouts werden mit Winkelmessern hergestellt, so dass die Ecken perfekt werden.«
»Wäre mir nie im Leben aufgefallen.«
»Dir vielleicht nicht, Russell aber schon. Es überrascht mich, dass er das Foto mit diesem Passepartout schon in die Ausstellung gegeben hat. Ich werde es neu machen müssen.« Er lehnte das Foto an die Wand. »Aber zunächst muss ich mich noch um einige andere Fotos kümmern.«
Dani betrachtete den Jungen auf dem Foto und erinnerte sich, wie bewegt Mitch von ihm
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