Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
gesprochen hatte. Ein Junge, der gut mit der Kamera umgehen konnte. Von der Sorte kannte sie noch jemanden.
»Brauchst du Hilfe?«, fragte sie.
Mitch küsste sie. »Du bist in vielerlei Hinsicht einfach wunderbar, Süße, aber meines Wissens beherrschst du weder die Grundlagen der digitalen Bearbeitung, noch –«
»Doch nicht ich, du Idiot. Aber ich kenne jemanden, an den ich schon letzte Nacht gedacht habe, als du mir von dem Jungen aus Ar Rutbah erzählt hast. Und jetzt scheint es, als könntest du Hilfe gebrauchen. Ich meine, er ist noch jung, aber er ist gut. Ich bin nicht die Einzige, die so denkt.«
Mitch runzelte die Stirn und wirkte unentschlossen. Vielleicht war er noch nicht bereit, einen weiteren Jungen mit Kamerageschick unter seine Fittiche zu nehmen.
Doch das war Dani gleichgültig. Er brauchte es. Und für Terence war es ebenfalls gut. »Vertrau mir«, sagte sie und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Komm. Die Schule hat noch nicht angefangen.«
Mitch folgte Dani zu einem winzigen, schindelbedeckten Haus am Woodland Drive, das in leuchtendem Blau gestrichen war. Es war eines von mehreren gleicher Art, die in einem Abstand von drei Metern nebeneinanderstanden.
Er parkte seinen Cuda hinter ihrem Chevy und wollte ihr die Tür öffnen, doch sie war schneller, und so trabte er über den Gehsteig, um zu ihr aufzuschließen.
Noch bevor sie einen Fuß auf die Vorderveranda gesetzt hatte, wurde die Tür von einem hochgewachsenen, schlaksigen Jungen geöffnet.
»Hallo Terence«, begrüßte Dani ihn. »Wie geht’s dir?«
Eine mollige Frau in einer Schwesterntracht tauchte hinter ihm auf. »Er hat nichts angestellt, Sergeant«, sagte sie. Ihre Stimme klang misstrauisch.
»Das hier ist Mitch Sheridan«, sagte Dani. »Mitch, darf ich dir Terence Bonnell und seine Mutter vorstellen?« Ein kleines Mädchen lugte um den Türrahmen. »Und Shondra. Hallo Shondra.«
Das Mädchen kicherte und wurde von ihrer Mutter ins Haus gezogen, in dem sich noch zwei weitere Kinder aufhielten, deren Namen Dani vermutlich auch kannte, wie Mitch mit einem Anflug von Zärtlichkeit feststellte.
»Hat Terence etwas angestellt?«, fragte eines der Kinder.
»Nicht, dass ich wüsste«, erwiderte Dani und wandte sich Mitch zu. »Ich habe Terence letzten Sommer kennengelernt, als er eine gestohlene Kamera kaufte und sich mit den falschen Leuten abgab.« Sie blickte den Teenager an. »Ich habe vor ein paar Minuten mit deiner Lehrerin gesprochen. Sie sagt, wenn du so weitermachst, wirst du in diesem Halbjahr zu den Besten gehören.«
»Ja, Madam«, sagte der Junge.
Dani hob die Hand, und Terence klatschte sie ab. »Und, machst du immer noch Fotos?«
Sein Adamsapfel hüpfte, als er Mitch ansah. »Immerzu«, erwiderte er.
Dani lächelte. »Mitch würde sie sich gern ansehen.«
Sie quetschten sich an einem Bügelbrett vorbei durch einen zugestellten Flur und weiter in ein Zimmer, an dessen Wand ein Etagenbett stand, während auf dem Boden eine weitere Matratze lag. Terence deutete auf seinen Schreibtisch, auf dem sich gebrauchte Bücher über Fotografie stapelten. Mitch griff nach einigen davon und stellte fest, dass er sie sogar kannte. Dann entdeckte er zwei seiner eigenen Bände auf einem Wandregal. Sie kosteten im Laden einhundertdreißig Dollar und waren viel zu begehrt, um bereits den Weg in ein modernes Antiquariat gefunden zu haben. Mitch fragte sich, wie Terence wohl daran gekommen sein mochte.
»Craigs Liste«, sagte Terence, der seine Gedanken erraten hatte.
Mitch grinste und wandte seine Aufmerksamkeit einer mit Fotos beklebten Wand zu. Die Fotos waren außerordentlich gut, stellte er fest und konnte den Blick nicht losreißen. Sie weckten so unmittelbar Gefühle, dass es Mitch die Kehle zuschnürte. Auch die Technik war so gut, dass sie hinter der Aufnahme verschwand, die den Betrachter völlig in das Wesentliche des Bildes hineinzuziehen schien. Einige der besten Aufnahmen waren sogar fachkundig mit Passepartout und Rahmen versehen worden … Ein Junkie, zusammengerollt auf dem Boden, der mit benutzten Nadeln übersät war. Eine Frau, die Kartons in eine Ecke schob, um sich daraus ein Nachtlager zu machen. Ein Junge im Kindergartenalter, der zusehen musste, wie seine Mutter abgeführt wurde.
Mitch sah Terence an. »Hast du die gemacht?«
Er nickte.
»Hier, in Lancaster?«
Wieder ein Nicken.
Mitch schluckte. Es juckte ihn plötzlich in den Fingern, wieder eine Kamera in die Hand zu nehmen. So etwas
Weitere Kostenlose Bücher