Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
der Welt reisen, wo du es nicht mitbekommst.«
»Na ja, also …« Mitch zögerte, bis er die Worte mühsam hervorbrachte. »Also, das möchte ich auch nicht.«
Das Haus der Averys war ein imposanter Backsteinbau mit einer Vierergarage und einem Briefkasten von der Größe eines Gartenpavillons.
Dani hatte ihren Besuch nicht telefonisch angekündigt – diesen Fehler, der ihr bei den Kinneys unterlaufen war, würde sie nicht wiederholen –, aber es brannte Licht. Gut. Und hinter der nächsten Kurve parkte ein Streifenwagen, den man nicht von den vorderen Fenstern aus sehen konnte.
Zwei Polizeibeamte stiegen aus.
»A-Bulle und B-Bulle«, murmelte Mitch.
»Wie bitte?«, fragte Dani.
Dann begriff sie, dass er von den Polizisten sprach, die fast dieselbe Statur hatten, wenn auch der eine schwerfälliger wirkte als der andere.
Dani stellte sich und Mitch vor und zeigte ihre Marke. »Ich möchte das Paar lediglich zu dem Kind befragen, das sie vor drei Jahren adoptiert haben. Wir haben Grund zu der Annahme, dass bei der Adoption nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist.«
Die beiden Polizisten tauschten einen Blick.
»Was ist?«, fragte Dani.
Einer der beiden sagte: »Nichts. Sie sind nur nicht die Erste, die Fragen wegen des Babys stellt, das ist alles.«
Danis Herz setzte für einen Schlag aus. »Was meinen Sie damit?«
»Das Baby ist ungefähr drei Monate, nachdem sie es bekommen haben, gestorben«, erklärte seine Kollegin, eine Frau mit Bürstenschnitt. »Plötzlicher Kindstod.«
»Wurde eine Autopsie gemacht?«
»Sicher«, sagte die Polizistin. »Das hat die Fragen ja hervorgerufen. Der plötzliche Kindstod kann auch noch im Alter von neun Monaten auftreten, aber häufiger geschieht er bei jüngeren Säuglingen. Es hieß, dass das Mädchen eine Frühgeburt war, also hat der Gerichtsmediziner das bei seiner Untersuchung berücksichtigt. Trotzdem waren nicht alle Zweifel ausgeräumt.«
Dani sah Mitch an, dessen Gesichtszüge wie versteinert waren. Ein eiskalter Schauder rann ihr über den Rücken.
»Lass uns reingehen«, murmelte er.
»Moment noch«, sagte die Polizistin, und Mitch und Dani blieben abrupt stehen. Sie trat nervös von einem Fuß auf den anderen und vermied es dabei, ihrem Partner in die Augen zu sehen.
»Lass es!«, rief dieser warnend.
»Nein, Weelkes. Wir müssen es ihnen sagen.«
Mitch erstarrte. »Uns was sagen?«
Die Beamtin überlegte noch drei Sekunden lang, dann erzählte sie: »Der Gerichtsmediziner damals war Sandy Averys Onkel. Einige Leute denken, dass es vielleicht zu einer polizeilichen Untersuchung gekommen wäre, wenn es ein anderer gemacht hätte, aber …«
»Ach du meine Güte«, entfuhr es Dani. So war es nicht schwer gewesen, das wahre Alter des Kindes zu vertuschen. Sie warf Weelkes einen düsteren Blick zu. »Vielen Dank, Mann. Sie waren enorm hilfsbereit.«
»Hey«, erwiderte dieser, »das sind gute Leute. Sie haben ihr Kind verloren. Selbst wenn mit der Adoption etwas nicht stimmen sollte, so ist das doch echt ätzend. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Klar doch«, sagte Mitch und trat näher an Weelkes heran. Sein Blick bohrte sich in den seines Gegenübers. »Und wissen Sie, was noch echt ätzend ist? Dass die leibliche Mutter vielleicht von einem Serienmörder umgebracht worden ist. Echt ätzend!«
Es war so weit. Monika atmete tief ein und betete, dass das Baby noch ein wenig in ihr bleiben würde. Es hatte sich gesenkt, und nun kam es ihr vor, als könnte ihr Beckenboden jederzeit nachgeben und das Baby mit einem Schwall aus ihr hinausflutschen.
Sei nicht albern, schalt sie sich, das würde schon nicht passieren. Geburten hatten jede Menge mit Pressen zu tun.
Und nun war es so weit. Der Mann mit den eiskalten Augen war heute oft weggefahren, und nun war er gerade wiedergekommen. Sie wollte die Gelegenheit beim Schopf packen, bevor es dunkel wurde. Und sie würde dieses Haus verlassen, egal, ob bei Tag oder Nacht. Monika hatte nicht vor, zu Fuß durch die Wildnis zu stolpern. Der Eismann hatte einen Wagen – oder eher einen Van. Monika konnte nicht Auto fahren, sie hatte nie den Führerschein gemacht. Aber es konnte nicht schwieriger sein, als den alten Traktor oder die Mähmaschine zu lenken. Von allem, was ihr jetzt bevorstand, war der Van sicherlich das kleinste Problem. Nichts im Gegensatz zum Eismann, dem sie gegenübertreten musste. Und dem Broker.
Monika ging ins Bad, wo die Scherben des Spiegels in der Badewanne lagen.
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