Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
die Derringer.
Und Brad fiel zu Boden.
52
M itch ertrug den Premierenzirkus nur mit Mühe. Alles muss normal wirken. Das war nicht gerade einfach. Mia Kettering war, in ihrem Designerfummel und mit eleganter Hochsteckfrisur, das Champagnerglas in der Hand, durch die Eingangshalle geschwebt und hatte perfekt die Rolle der Gönnerin gespielt. Die Stiftung tut so immens viel Gutes, OCIN rettet vielen Kindern das Leben, das alles haben wir Mitch zu verdanken …
Er versuchte, sie im Auge zu behalten, aber das war bald schon unmöglich, weil die Türen der Ausstellungssäle im ersten Stock geöffnet wurden. Er brauchte Unterstützung von Dani und Neil. Und von Terence – wo steckte er bloß? Er hatte ihn zuletzt im Gespräch mit einem Reporter von Channel 3 gesehen.
Mitch ging durch die Räume und hob abwehrend die Hand, wenn sich ihm Leute in den Weg stellten und ein Gespräch beginnen wollten. Er stahl sich durch den Hinterausgang aus dem Saal und rief aus dem Treppenhaus im Apartment an. »Ich habe Mia aus den Augen verloren, aber sie müsste hier irgendwo sein«, informierte er Neil. »Hast du alles für den Durchsuchungsbeschluss regeln können?«
»Ja, die beiden Cops sind gerade gegangen. Sie holen ihn ein.«
»Okay. Und wann kommt Dani her?«
»Was soll das heißen?«
Panik machte sich in Mitch breit. »Neil, wo ist Dani?«
»Ähm, sie ist vor zwanzig Minuten gegangen und müsste längst bei dir sein …«
Nein. Mitchs Herz begann zu hämmern. Dani.
Dani schloss die Augen und unterdrückte ein Stöhnen. Aus Brads Brust strömte Blut. Kurz darauf war die Luft vom Gestank nach Blut und Fäkalien getränkt.
O Gott.
Eine volle Minute wartete Mia ab, ob sich Brad noch einmal bewegen würde, dann senkte sie die Waffe.
»Er wurde allmählich lästig«, sagte sie beiläufig. Dani schwand der Mut. Mia Kettering hatte nichts mehr zu verlieren und verfolgte deshalb umso hartnäckiger ihre irren Pläne, wie auch immer diese aussehen mochten.
Sie ging tiefer in den Dachboden hinein zu einer Reihe von länglichen Schatten, die sich geheimnisvoll im Hintergrund erhoben. Dani schüttelte den Kopf, um durch Blut und Tränen wieder klar sehen und erkennen zu können, was dahinten im Dunklen verborgen lag. Grelles Licht von drei Theaterscheinwerfern blendete sie, so dass sie blinzeln und fortschauen musste. Dann erwachten sechs Deckenspots zum Leben. Mit brennenden Augen blickte Dani zu Boden.
Allmählich wurde es ein wenig wärmer im Raum. »Was ist los, Detective?«, ertönte Mias sanfte Stimme. »Wollen Sie sich nicht meine Sammlung ansehen?«
Sammlung?
Dani hob den Blick, und ihr wurde speiübel.
Grauen erfüllte sie, während sie auf die Staffeleien starrte. Ihre Nase war verstopft, und der Atem stockte ihr in der Kehle. Es war unfassbar, so surreal, dass sie befürchtete, in einem grässlichen Alptraum gefangen zu sein … vielleicht hatte der Sturz auf den Boden ihr das Bewusstsein genommen?
»Gefällt es dir?«
Mias Stimme. Schon wieder. Sie träumte nicht.
Dani schluckte und hatte mit der Galle zu kämpfen, die ihr hochkam. Mia trat zu ihr an den Stuhl. Sie strahlte eine geradezu heitere Gelassenheit aus in ihrer Couture-Robe, mit dem perfekten Teint und dem perfekten Make-up – die elegante Derringer in der Hand. Und sie war stolz. Als sei sie der Star dieser Ausstellung hier oben auf dem Dachboden. Dani zählte sechs Staffeleien. Die Fotos der Mädchen wiesen Verätzungen an Kopf und auf der linken Gesichtshälfte auf, als wären die Aufnahmen mit Hitze oder Chemikalien behandelt worden. Dani wollte es sich lieber nicht vorstellen. Rosie, Alicia und vier weitere Mädchen. Die Letzte war Monika Wheeler.
»Warum?«, fragte Dani durch das Klebeband auf ihrem Mund. Es klang mehr wie ein Grunzen, aber Mia hatte sie verstanden. Sie ging zu einem Schrank, holte ein Album heraus und öffnete es. Dani hielt den Atem an. Darin befanden sich die gleichen Dokumente, die Dani heute gelesen hatte – Prozessmitschriften und die Fotografien der verletzten zweijährigen Kristina.
»Mein Baby«, sagte Mia. »Sie haben sie mir weggenommen. Ich habe gekämpft und gekämpft, und Marshall hat sich auch für mich eingesetzt, aber sie haben sie mir trotzdem weggenommen.«
Dani blickte auf die sechs Staffeleien und verstand. Mia hatte dafür gesorgt, dass alle jungen Frauen wie Kristina aussahen. Aber warum hatte sie dann Kristina umgebracht? Das ergab keinen Sinn.
Dani knurrte aus tiefster Kehle, aber Mia
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