Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
Verbrennungen erlitten. Ich weiß nicht genau, was passiert war, denn meine Eltern haben Rosie danach adoptiert, aber sie hatte sie mit etwa zwei Jahren erlitten. Während der Grundschulzeit wurde sie häufig operiert.« Janet hielt ihr ein weiteres Foto entgegen. »So sah sie aus, bevor sie zu uns kam.«
Als Dani das Bild betrachtete, stockte ihr der Atem. »O mein Gott«, sagte sie. Rosies linke Wange war verstümmelt, die linke Seite ihres Schädels fast kahl.
Es war, als hätte der Killer ihr die alten Narben wieder zugefügt.
»Dani«, hörte sie Mitch fragen. »Was ist los?«
Sie blinzelte, sie wollte die Sache nicht zur Sprache bringen. Keiner der beiden hatte Rosies Leiche gesehen, und vor Janet würde sie nicht davon anfangen.
»Nichts«, entgegnete sie. »Ich wusste nur nichts davon, das ist alles. War irgendjemandem die Sache bekannt? Gab es Freunde aus Kindheitstagen, zu denen sie noch Kontakt hatte?«
»Nicht, dass ich wüsste. Mein Dad hatte die meiste Zeit über drei Jobs, um die Operationen bezahlen zu können – Schönheits-OPs, um ihre Narben zu entfernen, und Haartransplantationen. Die OPs verliefen erfolgreich, weil sie noch jung war. Und als sie älter wurde, sagte er immer: ›Jetzt sieh dich nur an. Meine perfekte Rose.‹« Janet schloss die Augen. Sie war eine Frau von durchschnittlichem Aussehen, fast ein wenig unscheinbar, und einen Moment lang fragte sich Dani, ob Mr. McNamara jemals seiner älteren Tochter etwas ähnlich Liebes gesagt hatte.
Okay, es reicht. Du bist ein Cop und kein Seelenklempner. Und Rosie ist tot.
Dani legte das Foto auf den Tisch zurück. »Hast du diese Bilder Detective Tifton oder jemand anderem gezeigt?«
»Nein«, erwiderte Janet. »Hätte ich das tun sollen? Ich meine, das ist viele Jahre her.«
»Danke, Janet«, erwiderte Dani statt einer Antwort und stand auf. »Eine Sache noch«, fragte sie, als sie und Mitch bereits vor der Haustür standen. Sie musste es einfach wissen. »Hatte Rosie Freundinnen mit lockigem blondem Haar? Du weißt schon, wasserstoffblond.«
»Lockig und blond?«, fragte Janet. »Keine Ahnung. Aber sie kannte eine Menge Mädchen auf der anderen Seite der Stadt. Leute, die ich nicht kenne. Du weißt schon, was ich meine.«
Huren. Die Worte der zweiten Nachricht kamen Dani in den Sinn: Hör auf, sie zu beschützen.
»Ja«, sagte sie schließlich. »Ich weiß genau, was du meinst.«
Eine Hand ins Kreuz gepresst, hastete Nika Love an den Nutten und Drogendealern auf der Bailing Street vorbei. Wahrscheinlich sah sie aus wie eine watschelnde Ente, doch wurden Enten nicht bis auf die Knochen nass, weil das Wasser an ihrem Federkleid abperlte. Federn hätte Nika jetzt auch gebrauchen können: Es goss in Strömen. Sie war völlig durchnässt, und ihr war bitterkalt.
Beeilung. Sie wollte ein paar größeren Rissen im Gehsteig ausweichen, stolperte prompt, schaffte es jedoch, sich an einer Mauer festzuhalten.
Sie zwang sich, langsamer zu gehen. Es wäre gefährlich, hinzufallen. Es war bald so weit. Höchstens noch zwei oder drei Tage, hatte Dr. Housley gesagt. Doch Nika hoffte, dass es früher passierte.
Und trotzdem musste sie sich beeilen. Das Heim schloss um zehn Uhr für die Nacht, und wenn die Tür einmal zu war, kam man nicht mehr hinein.
Sie hastete so schnell um die Ecke, wie es ihr mit dem Babybauch möglich war. Es gäbe allerdings noch eine andere Möglichkeit. Heute Abend hatte der Broker sie angerufen, um ihr ein Angebot zu machen, das ihr nicht mehr aus dem Kopf ging: eine schönere Bleibe, bis das Baby kam, außerdem wäre Dr. Housley auf Abruf da, und sie bekäme eine Menge Bargeld auf die Hand, wenn alles vorbei war – doppelt so viel, wie Housley ihr versprochen hatte. Und das Beste war: Der Broker hatte gesagt, dass eine gute Familie auf ihr Baby wartete. Es war ein Paar aus Vermont, das bereits einen Sohn hatte und seit Jahren versuchte, einen Bruder für ihn zu bekommen. Er würde ihr Bilder zeigen, wenn sie wollte …
Nika schüttelte den Kopf. Es spielte keine Rolle. Sie hatte nicht vor, dieses Baby wegzugeben. Es lief zwar nicht gerade gut für sie, doch ein paar Freundinnen aus Tys Stall würden ihr helfen, und es würde nicht mehr lange dauern, bis –
»Nika.«
Sie blieb stehen und wandte sich der Stimme zu, doch es war zu dunkel, als dass sie etwas erkennen konnte. Es goss noch immer in Strömen, so dass sie Schutz unter dem schmalen Dach eines Ladeneingangs suchte. Vielleicht ein Freier? Nein,
Weitere Kostenlose Bücher