Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
Veranda, wo ein Bewegungsmelder die Außenbeleuchtung anschaltete.
»Danke, dass du mich nach Hause gebracht hast«, sagte sie, während sie ihren Hausschlüssel hervorkramte. »Ich rufe dich dann morgen früh –«
Doch Mitch hörte nicht zu, sondern griff nach einem Stück gelbem Plastik, das in der oberen Ecke des Türrahmens hing. Dani spürte einen Kloß im Hals: ein Rest Absperrband. Die Kollegen hatten es gestern Nacht während der Spurensicherung befestigt, und jemand musste es anschließend unsauber abgerissen haben, so dass ein kleines Stück an einer Metallklammer im Türrahmen hängengeblieben war.
Mitch löste das Klebeband und blickte zu dem parkenden Streifenwagen hinüber. Als er Dani wieder ansah, war sein Blick grimmig. »Was, zum Teufel, ist hier los?«
Dani öffnete den Mund, doch der Ausdruck in seinen Augen ließ sie verstummen. Innerhalb einer Sekunde fühlte sie die Vorkommnisse der beiden letzten Tage wie Blei auf ihren Schultern lasten. Zwei Menschen waren tot. Sie hatte nur ein paar Stunden geschlafen. Ihre Möbel waren zerstört. Ihre Hündin lag im Koma. Jemand – der Killer – hatte sie beobachtet, war ihr gefolgt und hatte einen Unfall provoziert. Und dann hatte der Chief Dani – wegen ihres Vaters – von dem Fall abgezogen.
Und obendrein stand Mitch vor ihr. Nach achtzehn Jahren war Mitch in ihr Leben zurückgekehrt.
Sie zitterte. Mitch hob mit einem Finger ihr Kinn an, um ihr in die Augen zu sehen. »Schließ mich nicht aus. Sag es mir«, knurrte er. »Was ist hier passiert?«
Ihr Widerstand schmolz, und sie hielt ihm den Schlüssel entgegen. »Sieh selbst.«
Mitch schloss die Tür auf und schaltete das Licht an.
»Ach du meine Güte«, hörte sie ihn sagen.
23
F assungslos betrat Mitch Danis Wohnzimmer. Aus fast jedem weichen Material waren säuberlich Quadrate geschnitten worden: Den Sofakissen fehlten Stücke in Form von Schaumstoffwürfeln, und aus den Vorhängen wurden Stoffquadrate herausgetrennt.
»Was ist hier passiert?«, fragte er.
»Wer auch immer mir gestern die Nachricht an meinem Auto hinterlassen hat, hat abends mein Haus umdekoriert. Die zweite Nachricht, von der ich dir erzählt habe, lag in einem der Zimmer hier unten. Die Spurensicherung war über Nacht am Werk und hat ein wenig aufgeräumt.« Dani nickte in Richtung des Sofas, in dessen Rückenlehne ein Stück von exakt der Größe eines Backsteins fehlte.
Mitch begriff. »Deshalb wurdest du von dem Fall abgezogen, stimmt’s? Weil dieser Dreckskerl hinter dir her ist.«
»Unter anderem«, erwiderte Dani und schlug mit der Faust auf ein Sofakissen. »Der Chief will, dass ich abtauche.«
»Das ist auch gut so.« Mitch war stinkwütend. »Du hättest mir davon erzählen müssen! Ich wäre bei dir geblieben.«
»Ich habe dein Apartment den ganzen Tag nicht verlassen, erst als du kamst.«
Und so sollte es Mitchs Meinung nach künftig auch bleiben. »Was waren das für Nachrichten? Drohungen gegen dich?«
»Auf der vom Flughafen stand ›Nicht unschuldig‹, und er hatte Haare von Rosie beigelegt. Gestern habe ich in einem Fernsehinterview über Rosies Killer gesagt, er sei ein Monster, der es auf unschuldige Frauen abgesehen hätte.«
»Also hat er dich im Fernsehen gesehen«, sagte Mitch und fühlte, wie ihm das Blut in den Adern gefror. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Dani selbst in Gefahr war. »Und die Nachricht, die er dir hier hinterlassen hat?«
»Darauf stand: ›Hör auf, sie zu beschützen‹. Und eine blonde Locke lag dabei.«
»O Gott.« Mitch fuhr sich mit der Hand durchs Haar und wurde sich erst eine Sekunde später über die Bedeutung dieser Geste bewusst. »Gibt es keinen Weg, herauszufinden, von wem die Haare stammten? Wie steht es mit einem DNS-Test?«
»Die Locke wurde abgeschnitten. Ohne die Haarwurzel haben wir keine DNS. Wahrscheinlich war es die gleiche Schere, mit der Rosie umgebracht und meine Möbel aufgeschlitzt wurden.«
»Schere?« Mitch konnte nicht sagen, weshalb eine Schere als Tatwaffe Rosies Tod für ihn noch gruseliger machte als ein Messer. Mord war Mord. Doch gewöhnliche Mörder töteten nicht auf diese Art. »Warum sollte jemand seinem Opfer ein Büschel Haare abschneiden?«
»Keine Ahnung. Vielleicht als Trophäe. Aber die Fotos, die wir heute Abend gesehen haben, bringen mich völlig aus der Fassung. Die Verstümmelung von Rosies Gesicht und ihrer Kopfhaut ähneln den Operationsnarben ihrer Kindheit. Allmählich glaube ich, dass der Killer
Weitere Kostenlose Bücher