Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
fragen …«
Dani war mulmig zumute. Himmel, es würde Riesenärger geben, wenn herauskam, dass sie Rang und Dienstmarke dazu benutzte, um weiterzuermitteln. Bei der Vorgeschichte ihres Vaters gäbe es wohl kaum Zweifel an ihrer Motivation: Sie wäre bereits die Zweite des Cole-Clans, die ihre Position für eigene Zwecke missbrauchte. Danke, Paps.
Mitch legte auf. »Was ist los?«, fragte er. »Du siehst aus, als hättest du in etwas Ekliges gebissen.«
»Nichts«, beeilte sie sich zu erwidern.
»Sag schon.«
»Komm«, versuchte Dani, ihn abzulenken. »Es ist schon halb acht. Ich möchte wissen, was Janet uns zu erzählen hat.«
Es hatte aufgehört zu regnen, doch weitere Schauer würden nicht lange auf sich warten lassen. Die Wolken hatten die Farbe von Stahlwolle und zogen rasch über den Himmel. Sie gingen ein Stück die Auffahrt hinunter und um das Wohnhaus herum zu einer Garage. Mitch öffnete das Tor und schaltete das Licht ein.
Dani blieb der Mund offen stehen.
»Das gibt’s doch nicht«, sagte sie. Da stand er, der 68er Barracuda, genau so, wie er ihr im Gedächtnis geblieben war. Perlweiß, 340er Hemi-Motor, Wide-Oval-Redline-Reifen von Firestone. Und weit nach hinten verstellbare Rückenlehnen.
Daran konnte sie sich am besten erinnern.
Sie schüttelte den leichten Schauder ab, der sie beim Gedanken daran erfasste, umrundete die Motorhaube und ließ den Finger darübergleiten. Mitch hatte sich den Wagen damals von seinem Ersparten gekauft, das er sich seit seinem vierzehnten Lebensjahr mit Rasenmähen verdient hatte. Der Wagen war eine ziemliche Blechschleuder gewesen, doch hatte er ihn während seiner Highschool-Zeit restauriert. Erst mit seinem Vater, später mit Russ Sanders. Als Dani Mitch kennenlernte, war das Auto in einem Topzustand gewesen. Sie hatte Mitch während der gesamten zwei Monate ihrer Beziehung versucht zu überreden, sie einmal ans Steuer zu lassen.
»Nicht zu fassen«, murmelte sie.
»Ich stelle ihn hier unter, wenn ich nicht da bin. Er ist das einzige Auto, das ich jemals besessen habe.« Mitch zwinkerte ihr über die Motorhaube hinweg zu. »Eignet sich noch immer gut zum Bräuteaufreißen.«
Dani durchzuckte ein Gefühl von purer Lust. Sie hockte sich vor die Stoßstange. Das Garagenlicht spiegelte sich in dem verchromten Teil wider – sanft, glänzend und perfekt. Mitch hatte damals den gesamten nächsten Tag damit zugebracht, die Delle auszubeulen, die der Zaunpfahl hinterlassen hatte. »Man sieht nicht die geringste Spur des Aufpralls«, sagte Dani.
»Natürlich nicht. Weißt du noch, was ich dir gesagt habe?«
Sie wurde rot. »Dass keine Frau das Auto eines Mannes demolieren darf, egal, wie sexy sie ist.«
Er nickte, doch Dani konnte nicht umhin zu fragen: »Und was ist mit seinem Gesicht?«
Mitch berührte seine Nase und blickte sie ernst an. »Ich habe nichts daran machen lassen, weil ich etwas haben wollte, das mich an dich erinnert.«
Dani überlief am ganzen Körper eine Gänsehaut. Sie begegnete Mitchs intensivem Blick und war wieder in jenem Sommer des Jahres 1992 gefangen … in der Hitze, der Aufregung und dem Gefühl von Sicherheit. Aus allem rauskommen. Nie wieder hatte sie sich so umsorgt gefühlt wie damals, als sie Mitchs Freundin gewesen war. Und nie mehr so verwöhnt wie als seine Geliebte. Weder davor noch in den achtzehn Jahren danach.
Sie umrundete den Wagen und war im Begriff, ihm den Autoschlüssel aus der Hand zu reißen. »Mittlerweile habe ich einen Führerschein«, sagte sie schalkhaft. »Außerdem wurde ich für rasante Verfolgungsjagden ausgebildet.«
Mitch lachte und versteckte die Hand mit dem Schlüssel hinter seinem Rücken. »Träum weiter.«
Janet Milano öffnete ihnen die Tür mit einer Bürste in der Hand. Sie hatte ihren strengen Dutt gelöst, so dass ihr das Haar nun um die Schultern fiel. Sie wirkte verletzlicher – als hätte sie den Tod ihrer Schwester erst jetzt begriffen. Schock und Wut waren purem Schmerz gewichen. Im Wohnzimmer schlief das Baby in seinem Laufstall, der neben einem alten braunen Sofa stand. Daneben lag ein Stapel Alben auf dem Boden. Der Wohnzimmertisch war mit Fotos aus einer alten Schuhschachtel übersät.
»Ich habe gerade in Erinnerungen gekramt«, erklärte Janet mit Tränen in den Augen.
»Das kann ich verstehen«, erwiderte Dani und setzte sich aufs Sofa, wo sich Mitch neben ihr niederließ.
»Darf ich?«, fragte er und griff nach einem der Alben.
Janet nickte, band sich die Haare
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