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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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Worte darauf geschrieben. Helena war sich sicher, dass hier die Medizinvorräte des Äskulap lagerten. Gebannt versuchte sie in dem schwachen Licht die lateinischen Bezeichnungen zu entziffern, die ihr aus dem Buch der Mutter geläufig sein müssten. Aber sie stand nicht nahe genug. Ein prüfender Blick auf den Leibarzt, dann trat sie direkt vor die Regale. Schließlich sollte sie etwas lernen.

    Kein Widerspruch aus der Ecke.
    Stolz überkam sie, als sie die erste Bezeichnung einer Medizin zuordnen konnte. Cortex chinae . Chinarinde gegen hitziges Geblüt. Davon gab es gleich mehrere Flaschen. Als Nächstes erkannte sie Herba nicotianae. Offensichtlich fürchtete der Leibarzt, einen Scheintoten begraben zu lassen, so dass beim geringsten Zweifel ein Klistier mit Tabak als Erweckungsmittel zum Einsatz kommen könnte. Daneben stand eine Weinflasche mit der Aufschrift Semen cinae. Ein häufig gebrauchtes Wurmmittel. Zuweilen konnten diese Wurmsamen in Verbindung mit der Farnkrautwurzel sogar die Gedärme von einem Bandwurm befreien.
    Eine gläserne Karaffe mit einer trüben Flüssigkeit erregte ihr Interesse. Die Aufschrift war stellenweise verwischt, doch als sie daneben eine langstielige Silberzange entdeckte, erschien ihr das Wort klar vor Augen. Hirudines vivae. Lebende Blutegel.
    Angewidert wandte sie sich ab. Vorerst hatte sie genug gesehen. Aber die glänzenden Kelche und Trophäen in dem Glasschrank neben der Türe interessierten sie jetzt doch noch. Wofür er die wohl bekommen hatte?
    Von nahem betrachtet stellten sich die vermeintlichen Auszeichnungen als eine Sammlung unterschiedlich großer Sanduhren heraus. Manche waren aus Gold, andere aus edlem Holz und wieder andere mit glitzernden Steinen besetzt. Verwundert wanderte ihr Blick zum Leibarzt. Augenblicklich hörte das Kratzen der Feder auf.
    »Verzeihung, werter Herr Äskulap …«
    »Äskulap! Was erlaubst du dir!«, herrschte er sie an. »Für dich bin ich immer noch Monsieur Dottore Tobler!«
    Monsieur Dottore Tobler. Helena überlegte fieberhaft, wo
sie diesen Namen schon einmal gehört hatte. Dieser falsche Zusammenklang von Französisch und Italienisch kam ihr bekannt vor, doch sie ließ sich nichts anmerken.
    »Du Hexenweib glaubst wohl, mir mit Missachtung begegnen zu können!«
    »Verzeihung. Aber man nannte Sie doch vorhin Herr Äskulap?«
    »Du bist ein einfacher Fall. Du hast ein loses Mundwerk, das ist deine Krankheit. Dagegen gibt es keine Medizin. Da hilft nur Totschlagen, verstehst du? Genauso wie bei Fliegen. Genauso ist es. Die Fliegen stören mich! Alle stören mich!« Der Leibarzt sprang auf, packte sie grob am Kinn und musterte sie eingehend. »Und dich soll ich also unterrichten? «
    Helena wand sich unter dem Griff. Der Diener hatte längst das Weite gesucht, die Türe geschlossen.
    »Dein Name?«
    »Helena … Fechtner«, presste sie hervor.
    Der Leibarzt ließ sie verdutzt los. »Fechtner? Woher?«
    »Aus Wernigerode.«
    Die Lippen des Leibarztes kräuselten sich. Schlagartig wurde Helena bewusst, bei welcher Gelegenheit sie seinen Namen schon einmal gehört hatte.
    »Sieh an, sieh an. Von dem ehrenwerten Medicus Roth aus Wernigerode rühren also deine Kenntnisse her. Das hat sich mein spezieller Freund aber fein ausgedacht. Will sich wohl selbst nicht die Finger schmutzig machen, sobald er ein Weibsbild in die Lehre nimmt. Lieber schickt er dich zu mir ins Stift.«
    Ein dicker Kloß saß ihr im Hals. Dabei wusste sie genau, welche Worte sie ihm an den Kopf werfen wollte.

    »So, so. Ich soll also für ihn die Drecksarbeit übernehmen. Der alte Gockel hockt auf seinen Wundermitteln, erlangt für seine Heilkünste landesweite Bekanntheit, und dann gibt er sein Wissen nicht mal an seinen Ziehbalg weiter …« Der Leibarzt hielt inne. »Wollte sein Friedemar nicht demnächst heiraten?«
    Die Erwähnung ihres Verlobten traf sie wie ein Blitz. Trotz ihres Herzrasens gelang ihr ein beiläufiges Schulterzucken. »Hättest ihn wohl auch gerne gehabt?« Der Leibarzt schüttelte missbilligend den Kopf. »Und nunmehr willst du dich bei mir zur Lehre einnisten?«
    »Beileibe, nein. Sie dürfen ganz beruhigt sein. Ich bin Hebamme und nur zufällig an dem Unfall der Fürstäbtissin vorbeigekommen …«
    »Und dabei hast du ein wenig gezaubert. Hat dir das der wunderbare Medicus Roth beigebracht?«
    »Es ist keine Zauberei! Mit dem eigenen Atem kann jeder Mensch einem Verunglückten wieder Leben einhauchen. Zur rechten Zeit getan, gelingt es

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