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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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seiner roten Schürze ab. »Der Pickel wird sich in den nächsten Tagen zurückbilden. Sie halten sich jetzt am besten von den Männern fern. Gegen die Verstopfung Ihrer monatlichen Reinigung gebrauchen Sie bitte einen Aderlass bei unserem elenden Chirurgen und nehmen einige heiße Bäder. Sollte das noch nicht genügen, ist exzessive Bewegung, insbesondere das Treppensteigen, sehr dienlich. Sollten Sie auch dann Ihr Leiden noch nicht loswerden, wäre es hilfreich, sich an eine Engelmacherin zu wenden.«
    »Sie meinen, ich könnte also doch …« Panik durchflutete sie. Schwanger. Ich bekomme tatsächlich ein Kind. »Was soll ich denn jetzt tun? Bitte könnten Sie nicht … Es gibt doch vielleicht ein Mittel …«
    »Ich habe nichts von einer Veränderung Ihrer Geburtsglieder gesagt. Bevor keine Kindsbewegungen im Leib spürbar sind, gibt es auch kein Kind. So lange wird von einer Verstopfung der monatlichen Reinigung ausgegangen, die den Leib anschwellen lässt, und nicht einer weibischen Hysterie nachgegeben.«
    »Ich kann es nicht zur Welt bringen! Wenn Sie mir das Kind nicht nehmen, dann … dann werde ich meinem Leben ein Ende setzen. Ich will nicht die Geburt einer falschen Brut erleben! Man weiß doch, wie das bei ledigen Weibern vor sich geht. Sie können mir nichts vormachen! In Fällen wie meinem liegt das Kind verkehrt herum, und der Barbier wird es mit der Hebamme an jeweils einem Fuß aus dem Leib der Mutter ziehen müssen und die Gebärende dazu über den Fußboden hinter sich herschleifen!
Dabei reißen Sie das Kind entzwei und ich muss auch sterben.«
    »Unsinn. Alle Weiber bekommen ihre Bälger so einfach wie die Kuh das Kalb. Es wird sich schon alles finden.«
    »Und wie? Ich kann nirgendwohin, wenn das Stift aufgelöst wird! Gregor ist tot! Sie müssen mir helfen!«
    Sie neigte ihren Kopf zur Seite und verzog die Lippen zu einem hübschen Schmollmund. Dabei suchte sie fieberhaft mit ihren Augen das Medizinregal ab. »Werter Monsieur Dottore Tobler. Sie haben doch bestimmt irgendein Mittel dagegen. Ich würde Sie auch gut entlohnen; ich besitze wertvollen Schmuck. Bitte! Henker und Medicus werden doch schließlich fürs Töten bezahlt!«
    »Ich empfehle Ihnen, ein wenig gemeine Kamille einzunehmen. Ein wunderbares Mittel bei gallsüchtigen Frauenzimmern. «
    »Dann muss ich eben zur hiesigen Engelmacherin gehen! Sie wird mir das Kind schon wegmachen.«
    »Tun Sie das nur. Gehen Sie ruhig zu ihr! Es ist gut, dass ich nun darüber Bescheid weiß. Vielleicht möchten Sie mich heute Abend noch einmal besuchen? Dann bin ich mir sicher, dass mir nicht ein falsches Wort gegenüber der Äbtissin herausrutscht.«
    »Sie … Sie fieser, gemeiner, hinterhältiger Lustmolch!«
    »Na, na, na, nicht so laut, liebste Gräfin. Oder wollen Sie tatsächlich, dass die Äbtissin vom Grunde Ihres Besuchs bei mir erfährt? Ach, und sollte sich in den nächsten Wochen ein Hautausschlag einstellen, besorgen Sie sich bitte in der Stiftsapotheke nochmals etwas Quecksilberwasser.«
    »Zu gütig, werter Äskulap, wie Sie sich um mich sorgen. Aber ich bin nicht so naiv, wie Sie glauben. Ich werde mich
schon von den Blattern fernhalten.« Hoch erhobenen Hauptes ging sie an dem Leibarzt vorbei und verließ gemessenen Schrittes seine Höhle.
    Erst in ihrem Zimmer brach sie zusammen. Tränenüberströmt kauerte sie sich unter dem Schmerz der Demütigung ins Bett. Wenn ihr doch nur irgendjemand helfen könnte.
    Es wurde bereits dunkel, als der innige Gedanke an Gregor sie endlich in einen unruhigen Schlaf entließ.

    Helena hatte den Rest des Nachmittags damit zugebracht, nur ja kein Nest oder einen Vogel zu übersehen. Sie wusste selbst nicht, warum sie diesen widersinnigen Anweisungen überhaupt Folge geleistet hatte. Als die Sonne hinter dem Stift versank und sich langsam die Dunkelheit im Garten ausbreitete, machte sie sich allerdings guter Dinge auf den Rückweg. Es war einfacher gewesen, als sie gedacht hatte. Die Gewissheit, ihre Aufgabe zur Zufriedenheit des Leibarztes erfüllt zu haben, machte ihr den Weg zu ihm leichter. Überhaupt war es lächerlich, vor diesem aufgeblasenen Äskulap davonzulaufen. Er war nichts weiter als ein alter Höhlenbär mit abgewetzten Klauen. Vor seiner Tür angekommen griff sie selbstsicher nach dem Ring im Maul des Löwen und klopfte.
    Als sie eintrat, saß der Leibarzt noch immer an seinem Schreibtisch vor einem silbernen Leuchter mit Wachskerzen, deren Flammen im Windhauch tanzten.
    Helena

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