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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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gestohlen, bitte regen Sie sich nicht auf! Wieso sollten die Gräfinnen auch so etwas tun?«

    »Jede taugt hier zur Diebin. Man kann niemandem vertrauen. Sonst wäre meine Stiftsrobe schließlich da!«
    »Ist es vielleicht diese hier? Mit Schleier und Schärpe? Mit silbernen Stickereien und schwarzen Samtabschlüssen?«
    »Genau, das ist sie! Gott sei Dank!« Aurelia richtete sich erleichtert auf. »Und dazu noch die Jupe und die Schuhe.«
    Helena wuchtete sich das blaue, vorn offene Überkleid samt passendem Rock über den Arm und angelte nach den mit blauer Spitze besetzen Seidenschuhen. Alles fühlte sich so wunderbar an. Auch wenn sie die Last kaum tragen konnte, sie wollte sie nie wieder aus der Hand geben. Nur einmal solch eine Robe anziehen dürfen!
    »Leg es dort auf das Bett. Ich werde es ganz zum Schluss erst anziehen. Nur keinen Glockenschlag zu lange in dieser armseligen Stiftskleidung! Sonst lassen sie uns immer die schönsten, eigenen Kleider tragen, aber ausgerechnet zu besonderen Anlässen müssen es diese Einheitslumpen sein. Nun, so haben die Giftkröten wenigstens nichts zu lästern. Umso dringender musst du mich jetzt frisieren. Dort auf der Kommode stehen Puder und Schweineschmalz, das Gerüst und die Haarnadeln findest du in der kleinen Truhe.«
    Das Gerüst? Zum Glück fand sie schnell ein infrage kommendes Drahtgestell sowie die anderen genannten Utensilien und stellte alles vor der Gräfin auf. Aurelia saß mit kerzengeradem Rücken vor dem Frisiertisch und sah sie missbilligend über den Spiegel an. »Was ist? Worauf wartest du?«
    »Ich? Ich soll das machen? Das kann ich nicht.«
    »Du große Güte! Das war eindeutig Absicht. Hinterlistige Absicht der Fürstäbtissin! Sie hat dich zu mir geschickt, damit ich aussehe wie ein Feldwiesel. Damit ich aus Angst
vor Blamage auf die Bemäntelung verzichte! Aber fehl gedacht! Du nimmst jetzt den Puder und kämmst ihn reichlich in mein Haar. Es darf keine dunkle Strähne mehr unter der Schicht herausschauen, verstanden? Danach das Drahtgerüst auf den Kopf, mit Gazebändern feststecken, das Haar darumwickeln und mit Perlen und Spangen verzieren. Am Schluss noch etwas Schweineschmalz für den Halt. So einfach ist das.« Die Gräfin drehte sich um. »Ich erwarte, dass es perfekt wird!«
    Niemals, dachte Helena erschrocken, niemals würde ihr diese Aufgabe gelingen. Fluchtgedanken machten sich in ihr breit, die sie zu unterdrücken versuchte. Beherzt griff sie nach der silbernen Puderdose und betrachtete das ovale Utensil von allen Seiten.
    Helena schaute nicht in den Spiegel, sie konnte sich den kritischen Blick Aurelias ohnedies sehr gut vorstellen. Mit ungelenken Bewegungen öffnete sie die Dose, stäubte ein wenig Puder in die Haare der Gräfin und setzte den Kamm an, der ihr durch die glatten Haare rutschte. Auf den dunklen Haaren blieb ein feiner gräulicher Schimmer zurück. Helena seufzte innerlich auf: Zwei Stunden zur Vorbereitung waren tatsächlich knapp bemessen.
    »Glaubst du mir jetzt?«, fragte Aurelia, als hätte sie ihre Gedanken erraten. »Da zeigt sich einmal mehr Gottes Ungerechtigkeit: Personen wie dir, ohne Adel und Stand, schenkt er helles Haar, und sogar noch Locken. Und ich muss mich mit Puder abquälen, um das dunkle Haar zu verdecken. Das ist eine Ungerechtigkeit! Bitte reich mir vom Schreibtisch das Journal des Luxus und der Moden , damit ich etwas zu tun habe. Ich kann das nicht mit ansehen.«
    »Verzeihung, werte Gräfin, aber ich habe einen anderen
Vorschlag. Könnten wir nicht das Haar zuerst mit dem Schweineschmalz einschmieren? So wird der Puder besser aufgenommen. Anschließend beugen Sie den Kopf über die Waschschüssel, und ich schütte den Puder darüber!«
    »Kein schlechter Gedanke!«, begeisterte sich Aurelia. »Geradezu formidabel! Du bist meine Rettung!«
    Helena betrachtete die Gräfin im Spiegel. Da sollte der Stiftskanzler noch einmal behaupten, sie sei wankelmütig! Mit spitzen Fingern machte sich Helena daran, das Schmalz ins Haar der Gräfin zu streichen. Das schmierige Zeug stank erbärmlich. Dennoch arbeitete sie sich tapfer Strähne für Strähne voran, ihr wurde schlecht, aber sie biss die Zähne zusammen. Als sie nach einer guten Weile das komplette Haar bearbeitet hatte, konnte sie die Übelkeit kaum mehr unterdrücken. Ihr Magen machte kleine Sätze, die sich in Wellen nach oben hin ausbreiteten.
    »Bitte, darf ich wohl das Fenster ein wenig öffnen?«
    »Aber nicht zu weit. Den Gestank des

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