Mädchen und der Leibarzt
auswählen. Bitte bring mir die Flakons. Und vielleicht auch ein wenig Wasser, das ich mir ins Gesicht spritzen könnte. Welche Waschessenzen benutzt du denn?«
»Keine. Ich bin von Natur aus schön«, entfuhr es Helena. Es herrschte einen Moment lang gefährliche Stille. Aurelias Mund wurde schmal, dann lachte sie spitz. »Ach, Helena, deinen Humor müsste man haben. Da hat die Fürstäbtissin schon Recht.« Aurelia reckte das Kinn und besah sich im Spiegel. »Ich bin erstaunt, die Frisur ist dir wahrlich gut gelungen. Gib mir den kleinen Spiegel vom Waschtisch, damit ich das Werk auch von hinten begutachten kann.«
»Da liegt keiner.«
»Unsinn, wahrscheinlich willst du nur nicht, dass ich mir die Frisur von hinten anschaue. Damit man Grund hat, mich auszulachen. Bestimmt sieht mein Hinterkopf aus wie ein alter Kehrbesen!«
»Das ist nicht wahr! Warum sind Sie so misstrauisch? Fühlen Sie doch, dann brauchen Sie mich nicht grundlos zu verdächtigen! Ich habe mir alle Mühe gegeben!«
Die Hand der jungen Gräfin tastete nach dem Haarturm. »Nun gut. Dort in der Schatulle liegen mein Diamantring und der Armreif. Du sollst sie mir anstecken. Mach schon, fass die Dinge nicht zu lange an. Und nun kleide mich an.«
Der plötzlich veränderte Tonfall der Gräfin missfiel Helena, doch hinter diesen Befehlen versteckte Aurelia wohl ihre Angst, und darum nahm es Helena geduldig hin.
Es wurde ruhig zwischen ihnen, als Helena der Gräfin aus dem mintgrünen Kleid half. Etwas verlegen schaute sie zur Seite, als Aurelia schließlich nackt vor ihr stand, nur die Beine mit langen Strümpfen bedeckt, die knapp unterhalb des Knies von goldenen Schleifenbändern gehalten wurden. Aurelia hielt die Arme vor dem Bauch verschränkt und zitterte.
»Was siehst du mich so an? Beeil dich, ich friere!«
»Gewiss.« Helena sprang zum Bett, um die Stiftsrobe zu holen, angelte auf dem Rückweg noch eine Chemise aus der Wäschetruhe und streckte sie der Gräfin entgegen.
»Nein, zuerst die Schuhe.«
»Aber Sie frieren doch.«
»Das muss eine Dame aushalten. Die Schuhe kommen stets zuerst.«
»Gewiss.« Sie ließ Aurelia in die blauen Seidenschuhe schlüpfen, dann zog sie ihr die Chemise vorsichtig über den Kopf, bemüht, dabei nur auf die Frisur zu achten und nicht heimlich Aurelias Brüste mit ihren zu vergleichen. Doch ein kurzer Blick genügte. Sie waren etwas kleiner, aber schöner geformt.
Helena strich die Chemise sorgfältig glatt, bevor sie ihr das Mieder anlegte. Aurelia gab keinen Laut von sich, als Helena die Schnüre festzurrte. Erst als sie das Quälholz in die vorgesehene Öffnung schob, um den hervorquellenden Unterleib zurückzudrücken, stöhnte Aurelia auf. »Mach nur, mach nur. Der Bauch muss ganz flach sein. Wie sieht das denn sonst aus?«
Als der Blankscheit richtig saß, holte Helena wortlos den ausladenden, mit Stickereien besetzten Rock herbei.
»Warte, noch nicht die Jupe, zuerst der enge Anstandsrock. Stell dir nur vor, ich würde hinfallen und man würde etwas von meinen Beinen sehen!«
»Bereiten Sie sich keine Sorgen, es wird bestimmt alles gut werden!«
»Es muss! Und anschließend kann das Stift aufgelöst werden, das ist mir dann gleichgültig. Wenn ich nur vorher meinen Anspruch auf lebenslange Versorgung bekomme!«
»Was soll ich als Nächstes tun?«, fragte Helena mit zunehmendem Verdruss.
»Zuerst das Kissen für den Cul de Paris und dann die Jupe.«
Etwas mulmig war Helena zumute, als sie das Kissen an den Steiß der Gräfin hob, das Ganze mit den Bändern fixierte und die schwere, bestickte blaue Jupe darüberband. Aber alles gelang perfekt.
Das Hinterteil der Gräfin war nun unter dem Rock ordentlich betont, so dass die Taille wie durch Zauberhand verkleinert schien. Aurelia hatte die Prozedur geduldig über sich ergehen lassen, auch als Helena schließlich noch mit kleinen Nadeln das reich verzierte Spitzentuch vorsichtig auf dem Mieder feststeckte.
»Bitte sei sorgfältig. Nicht, dass es sich während der Zeremonie vom Mieder löst. Sitzt es auch gerade?«
»Es sieht alles wunderschön aus.« Mit einem letzten Handgriff half sie Aurelia in die Robe, die nun wie ein offener Mantel über dem Kleid lag und steckte die Schlaufen in der Taille fest. »Étienne de Silhouette hätte Sie sofort als Modell für seine Scherenschnitte engagiert, würde er denn noch leben. Sehen Sie doch nur, wie der Cul de Paris Ihre schlanke Taille betont.« Sie führte die Gräfin seitlich zum Spiegel.
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