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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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Schweineschmalzes muss man als Frau genauso ertragen wie alles andere. Du musst lernen, Dinge auszuhalten. Wie willst du andernfalls jemals einen Mann glücklich machen?«
    Helena öffnete das Fenster über dem Damensekretär und ging danach ungefragt zur Waschschüssel. Sie goss Wasser hinein und bearbeitete ihre Hände energisch mit einer harten Bürste. »Ich habe nicht vor zu heiraten. Ich brauche keinen Tyrannen an meiner Seite, der mir sagt, was ich zu tun und zu lassen habe«, brach es aus ihr heraus. »Ich bin nicht wie das Glockenspiel einer Kirchturmuhr, das man nur zur rechten Zeit singen hört.«
    »So lange du dich nach dem Willen deines Eheherrn wohl verhältst, hat er keinen Grund dir zu zürnen und muss
auch nicht zum Tyrannen werden. Eine Frau muss sich gleich einem Weidenzweig den Wünschen ihres Mannes beugen, sie muss sich nach seinen Vorstellungen formen lassen, damit es eine gute und fruchtbare Ehe werde.«
    Helena trocknete sich die Hände an einem steifen Leinentuch ab und machte sich wortlos daran, die Frisur zu vollenden, während die Gräfin ungerührt weitersprach: »Ein gutes Eheweib beherrscht das richtige Verhalten schon vor der Hochzeit. Das ist wirklich nicht schwer zu erlernen. Du darfst niemals Widerworte geben. Worte machen eine Frau ohnehin hässlich. Die ganze Schönheit ist dahin, und kein Mann dreht sich mehr nach dir um.«
    Helena verkniff sich eine Bemerkung. Stattdessen sagte sie: »Ich habe in der Hinsicht nicht viel zu verlieren. Aber das macht mir auch nichts aus. Ich komme gut allein zurecht, sehr gut sogar. Jedenfalls brauche ich wirklich keinen Mann.«
    »Natürlich brauchst du einen Mann! Wie willst du denn alleine überleben? Du musst heiraten!«
    Helena betrachtete Aurelia, wie sie mit halb frisierten Haaren auf dem Stuhl saß. Hilflos wartend.
    »Hatten Sie nicht kürzlich Besuch von einem jungen Herrn?«, fragte Helena so beiläufig wie möglich und steckte die letzten Gazebänder fest.
    »Ich? Besuch? Ausgeschlossen. Doch eines Tages kommt sicher ein Mann, der mich heiraten wird und die Zustimmung meines Vaters findet.«
    »Wünschen Sie sich wirklich nichts anderes als einen Ehemann?«
    »Etwas anderes?« Aurelia senkte den Kopf. »Doch, ein Kind. Ich meine, was gäbe es Schöneres, als einem Mann
den ersehnten Stammhalter zu gebären? Einem Mann, der mich gut behandelt und mich am Ende vielleicht sogar liebt?«
    »Für mich ist es das Schönste, diesen kleinen Menschen auf die Welt zu helfen. Und sie dann gesund zu erhalten.«
    »Du … du kannst Kindern auf die Welt verhelfen?«
    »Ja, in Wernigerode habe ich damit mein Geld verdient. Nur im Augenblick lerne ich beim Leibarzt.«
    »Und du … du bist wirklich eine Hebamme?«, fragte Aurelia, so als wachte sie eben auf.
    »Das ist doch nichts Besonderes? Ich will helfen und in Zukunft nicht zurückgezogen als Ehefrau in einem Haus leben. Irgendwann will ich mein eigenes Leben führen. Ein unabhängiges Leben. Und zwar als weiblicher Medicus.«
    »Aber du wirst dich gegen den Leibarzt behaupten müssen. Hast du dazu den Mut?«
    »Wir hatten gerade erst nach der außerordentlichen Kapitelversammlung einen Streit. Ich bin schon gespannt auf meinen nächsten Besuch bei ihm.«
    »Worüber habt ihr disputiert?«
    »Ach, es ging um die Blattern.« Helena hielt inne und sah die junge Gräfin mit ernstem Blick an. »Sie wissen hoffentlich, wie mitteilsam die Blattern sind?«
    »Gewiss. Aber kann man denn etwas gegen die Blattern ausrichten?«
    »Ja, ich habe da eine Vermutung.«
    Aurelia zog die Stirn in Falten. »Wirklich? Du oder der Leibarzt?«
    »Ich. Ich habe vielleicht ein Mittel gegen die Blattern entdeckt. Es fehlt nur der Beweis! Doch zuvor gilt es, noch ein klein wenig Überzeugungsarbeit beim Leibarzt zu leisten.«

    »Du allein hast ein Mittel gefunden? Und von welchem Beweis sprichst du?«
    »Nun ja, man bräuchte eine Person, die noch nie die Blattern, eine Inokulation zur Besänftigung des Blatterngifts oder die Melkerknoten hatte. An ihr könnte man dann sehen, ob das Einritzen der harmlosen Kuhpocken eine Wirkung gegen …«
    »Bringst du bitte noch das taftene Schönheitspflästerchen an meiner Wange an?«, unterbrach sie Aurelia. »Aber bitte so, dass das Schwarz die Blässe auch richtig betont. Am besten direkt auf Höhe des Wangenknochens. Während meiner Rückreise ins Stift habe ich schon wieder viel zu viel Sonne abbekommen.«
    »Natürlich.«
    »Und dann muss ich noch das passende Parfüm

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