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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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dem Leibarzt, der sich ächzend erhob und die Verletzung mit gehörigem Abstand beäugte.
    »Keine Aufregung, meine Damen, es ist nichts Schlimmes. Die Bemäntelung wird kurz unterbrochen. Sobald der Herr Stiftskanzler wieder wohlauf ist, kann die Zeremonie
zu Ende geführt werden«, beschied er so gelangweilt, als habe man ihm einen Mückenstich gezeigt.
    »Nein!«, stieß die Fürstäbtissin hervor. »Nein! Das war ein Zeichen Gottes. Das Blut auf dem Mantel! Offenkundig hätte ich doch den Worten der Gräfin Seniorin und der Meinung des Kapitels folgen sollen, aber nun hat Er mich auf den richtigen Weg geführt.« Die Fürstäbtissin holte tief Luft. »So wahr ich hier stehe: Die Gräfin von Hohenstein wird nicht in das Stift aufgenommen! Und ich wünsche, dass sie so bald als möglich nach Wien zurückkehrt, ehe der Herrgott uns zürnt, weil wir sein Zeichen nicht zu deuten wussten.«
    Geschockt warf Helena Gregor einen Blick zu. Ins Leere starrende, traurige Augen sahen ihr entgegen.
    »Hoffentlich wird sie in Wien versorgt. Ich kann ihr im Moment keine Bleibe bieten, selbst wenn ich wollte. Aber vermutlich wird sie sich ja ohnehin in die Arme eines anderen Mannes begeben – mich wollte sie ja nicht.« Gregor machte sich daran zu gehen. »Ich werde nun meine Sachen packen. Ich will ihr bei der Abreise nicht auch noch zusehen müssen.«
    »Gregor, warte!«, rief Helena ihm hinterher.

KAPITEL 11
    I m Sternenzimmer war es kalt. Der Kachelofen war ausgegangen, und Gregor machte sich nicht die Mühe, das Feuer neu zu entfachen. Draußen zogen die Wolken vorbei, und durch das spaltbreit geöffnete Fenster konnte man den Regen förmlich riechen. Aller Glanz war von den goldenen Buchrücken gewichen, trostlos reihten sich in den Regalen die Bücher aneinander.
    Unschlüssig stand Helena in der Düsternis des Zimmers, Gregor saß mit hängendem Kopf auf dem Bett. Ihn jetzt anzusprechen war nicht der richtige Moment, das spürte sie. Er war in Gedanken weit weg, betrachtete seine rissigen Hände, knetete seine rauen Finger, und erst mit der Zeit kam Bewegung in ihn. Er nahm das Kopfkissen, zog den grauen Leinenbezug davon ab und breitete diesen sorgsam auf dem Bett aus.
    Stumm beobachtete Helena, wie er aufstand, den Aristoteles vom Studiertisch nahm und das Buch beinahe zärtlich auf das Tuch bettete. Besonnen schaute er sich um.
    »So, ich denke, damit habe ich alles.« Er nahm die Ecken des Tuches auf und verknotete sie sorgfältig. Mit geschultertem Beutel wandte er sich dem Studiertisch zu und strich an seinem Schachbrett entlang. Er nahm die weiße Dame in die Hand und schaute sie lange an. Dann schloss er die Finger um die Figur, einen Moment schien er zu überlegen, ob
er sie mitnehmen sollte, doch dann stellte er sie sachte wieder zurück auf ihren Platz. Er blieb noch eine Weile stehen, so als wollte er sich diese angefangene Partie besonders gut einprägen. Schließlich gab er der Weltkugel einen Stups, so dass sie sich quietschend um die Achse drehte, und streckte Helena mit einem schiefen Lächeln die Hand entgegen.
    »Ich will’s kurz machen. Danke für alles, Helena. Pass gut auf dich auf und lass dich von unserem Äskulap nicht unterkriegen.« Er tippte vielsagend auf seinen linken Arm. »Wäre schade, wenn du deinen Weg nicht weiterverfolgst. Nun, wohlan, ich gehe jetzt.«
    Helena spürte einen Abschiedsschmerz tief in ihrer Brust. Lass ihn, es ist sein Wille.
    Gregor ging zur Tür und drehte sich noch einmal zu ihr um. »Wär’ schön, wenn wir uns mal wiedersehen würden. Und wenn nicht, so werde ich immer an dich denken, wenn ich in den Sternenhimmel schaue.«
    »Warte, Gregor! Du kannst nicht gehen!«
    »Keine Sorge, es ist Rekreation. Niemand wird mich sehen.«
    »Aber was ist mit den Menschen in der Stadt?«
    »Ich werde unbehelligt in den Wald gelangen und von dort aus irgendwann nach Hause, mach dir keine Gedanken. «
    »Wie stellst du dir das vor? Willst du an den Bauernwachen und Passkontrollen einfach vorbeispazieren? Vielleicht noch selbst nachsehen, ob man deinen Namen korrekt in Blech gehauen und am Galgen zur Schau gestellt hat?«
    »Ach, so wichtig bin ich nicht, dass man meinetwegen solch einen Aufwand treiben würde.«

    »Was für ein Unsinn! Du bist ein Deserteur und ohne Generalpardon für jeden Gold wert, der dich aufgreift und ausliefert, das weißt du selbst.«
    »Das mag sein, aber ich werde Freund von Feind zu unterscheiden wissen.«
    »Niemand kann das! Und außerdem … ich

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