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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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soll man nicht aufhalten.« Der Äskulap machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum.
    »Es ist der Knochen, Sie werden schon sehen, dass ich Recht behalte!«, rief ihm Helena wutentbrannt hinterher.
    Er kam noch einmal zurück und tätschelte ihr die Wange. »Träume sind ein guter Weg, der Wahrheit zu entfliehen.«
    »Immer wollen Sie Recht behalten! Aber auch Sie können sich täuschen! Oder haben Sie seither einen einzigen Vogel entdeckt, der sich vergraben hat? Es ist nicht immer alles richtig, was Sie sagen und glauben! Auch ich weiß so manches.«
    Der Leibarzt blieb gefasst. »So? Wohl ganz zuvorderst, wie man Menschen in Kühe verwandelt, weil man glaubt, sie vor den Blattern retten zu können!«

    »Das ist doch Unsinn! Niemand würde dabei Schaden nehmen.«
    »Was du nicht sagst. So führe diesen Blatternversuch doch endlich durch, wenn du dir so sicher bist, dass die Melkerknoten schützen! Aber denk daran, was ich dir gesagt habe: nur unter meiner Aufsicht. Bei deinem Glück amputierst du sonst noch jemandem den Arm.« Der Leibarzt räusperte sich. »So, Ernestine. Das wären dann neun Sanduhren. Habe die Ehre.«
    »Aber Herr Doktor, Sie wollten doch die Sanduhr stecken lassen. Ich dachte, wir hätten gestern Abend ausgem…«
    »Einem Weib hat das Denken schon immer geschadet. Und wenn es der Knochen ist, so soll sich der elende Chirurg darum kümmern. Vielleicht hast du das Geld ja noch übrig, Ernestine. Aber in alten Schüsseln ist ohnehin alles Säubern vergeblich.«

KAPITEL 14
    E s ging schief, was nur schiefgehen konnte. Das Schlimme aber – es unterliefen ihr Fehler, die sie sich nicht erklären konnte. Sie wusste nur, dass heute wieder etwas schiefgehen würde, obwohl sie sich solche Mühe bei der Behandlung der Stiftspatienten gab. Morgens nahm sie die Befehle des Leibarztes entgegen, tagsüber kümmerte sie sich wunschgemäß um die Kranken, und abends attestierte er ihr dabei mehr Leidenschaft als Können. So ging das nun seit Wochen. Zudem nahm der Leibarzt keine Rücksicht darauf, dass sie von dem Blatternversuch nichts mehr wissen wollte. Denn er fragte ständig nach, wann sie nun endlich den Versuch durchführen wolle. Aber sie wollte nicht mehr. Seit sie in der Nacht um Aurelias Leben gebangt hatte. Niemals mehr wollte sie Gottes Gnade herausfordern.
    Es war nun Anfang November und der Wind pfiff empfindlich kalt zu den Fensterritzen herein. Helena hatte zu ihrer bunten Kleidung noch einen gefütterten, dunkelblauen Umhang bekommen. Auch im Sternenzimmer war es kalt geworden, obwohl Gregor das Feuer im Kachelofen ständig mit Holz versorgte. Wie es der Äskulap über den Winter in seiner Höhle aushalten wollte, ohne vor dem offenen Feuer als Rauchfleisch zu enden, war ihr schleierhaft. Der Leibarzt erwartete sie wie immer an seinem Löwenschreibtisch
und sah ihr mit hochgezogenen Augenbrauen entgegen – im selben Moment verwünschte Helena ihr Bedauern über seine Unterkunft. Sollte er doch hausen, wie er wollte.
    »Das wird aber Zeit, dass du dich endlich blickenlässt. Wenn das so weitergeht, bin ich nicht mehr gewillt, dich an meine Patienten zu lassen. Von allen Seiten kommen nur Beschwerden über deine Behandlungen. Seit Wochen geht das nun schon so. Siehst du nicht, dass du vollkommen überfordert bist? Es wäre sinnvoller, du würdest dich wieder einzig und allein den Schmerzen der Gebärenden widmen, um als Hebamme das wiedergutzumachen, was sich das Weib im Paradies selbst eingebrockt hat.«
    »Hören Sie doch auf mit Ihren Beleidigungen. Ich kann mehr, als Sie glauben.«
    »So? Und wie erklärst du dir alsdann Sebastians schlechten Zustand? Nicht einmal eine einfache Kopfwunde konntest du versorgen, ohne dass daraus ein bedrohliches Eitergeschwulst wurde. Und aus der Magenverstimmung der Seniorin Gräfin Maria wurde mit deiner Hilfe eine regelrechte Kolik …«
    »Ich habe nicht bemerkt, dass der Apotheker eine falsche Zutat verwendet hatte! Wie hätte ich es auch feststellen sollen? Ich konnte Ihre Schrift nicht lesen! All die kryptischen Zeichen auf dem Rezept …«
    »Da hört sich doch alles auf! Du willst anderen deine Fehler in die Schuhe schieben? Die Einzige, die versagt hat, bist du! Oder willst du mir etwa sagen, dass ich in Zukunft leserlicher schreiben soll? Damit endlich jeder Patient weiß, was ihm verschrieben wird? Auf dass er sich die Medizin am Ende gar selbst beim Bader besorgt? Nein! Die Mittel sind und bleiben das Geheimnis eines jeden

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