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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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zog ein Gesicht, als habe man ihn bereits zwei Stunden warten lassen.
    Helena schluckte. »Haben Sie vielleicht irgendwo Schmerzen? «, fragte sie die Kranke.
    »Hin und wieder habe ich ein leichtes Schwindelgefühl. Dann und wann juckt es mich am Fuß, vor dem Essen habe ich meist ein brennendes Gefühl im Magen und gerade des Winters plagen mich oft die Schmerzen im Kopfe.«
    »Habe ich es dir nicht gesagt, Helena?«, feixte der Äskulap.
    »Wegen meiner Beschwerden müsste ich wohl eilends zur Ader gelassen werden«, schlug die Seniorin vor. Doch Helena schüttelte den Kopf, und die Kranke zog die Stirn kraus. »Aber gewiss! Ich bestehe auf einen Aderlass, so wie er stets verordnet worden ist!«
    »Das mag sein. Aber solange man nicht weiß, woher die krankhafte Hitze rührt, kann der Aderlass auch schädlich sein.«
    »Und was gedenkst du also zu tun?«, knurrte der Leibarzt aus dem Hintergrund. »Entscheide dich aber bitte noch heute.«
    Helena schaute die Seniorin eingehend an, in der Hoffnung, dass diese ihr nur irgendwie selbst sagen könnte, woher die Hitze rührte. Kein Ausschlag, keine widernatürlichen Ausleerungen, nichts.
    »Das dauert …« Der Leibarzt zog einen Stuhl herbei und setzte sich.
    Mit zusammengepressten Lippen ging Helena noch einmal alle Möglichkeiten durch, doch dann senkte sie ihren Blick und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, murmelte sie.

    »Etwas lauter, bitte. Ich habe dich nicht verstanden«, sagte der Leibarzt.
    »Ich weiß es nicht«, wiederholte Helena.
    »Sehr schön, sodann können wir ja endlich gehen. Ich habe noch einige Korrespondenz zu erledigen.«
    »Ja, aber woran leidet die Seniorin?«
    »Bin ich das Orakel von Delphi?«
    Helena starrte ihn an. »Aber sie muss doch behandelt werden!«
    »Daran hindert dich niemand. Überleg dir etwas.«
    »Vielleicht …« Helena konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Irgendetwas Sinnvolles, irgendetwas musste ihr doch einfallen. Was könnte denn infrage kommen? Sie musste etwas vorschlagen. »Vielleicht müsste die Kranke erst einmal reichlich trinken, verdünnte Getränke, alsbald auch Holundertee. Vielleicht wird es davon besser.«
    Der Leibarzt zuckte mit den Schultern. »Vielleicht, ja.«
    »Und nur leichte Speisen essen! Hafergrütze und dergleichen. «
    »Das geht nicht«, meldete sich die Kranke zu Wort. »Ich kann doch nur ganz beschwerlich niederschlucken.«
    Helena rang mit der Fassung. Warum sagte die Seniorin das nicht früher? »Sie können kaum schlucken? Würden Sie bitte den Mund öffnen, damit ich nachsehen kann?«
    Diesmal folgte die Seniorin der Aufforderung ohne zu zögern, aber das Misstrauen hielt sich in ihrem Blick.
    »Der Rachen ist stark gerötet«, gab Helena sofort Auskunft. »Die Mandeln sind ein wenig geschwollen, haben aber ansonsten ihr natürliches Aussehen behalten. Eine Halsentzündung, die sich einfach behandeln lässt.« Erleichterung machte sich in Helena breit.

    »Eine Halsentzündung. So, so.« Der Leibarzt rieb sich das Kinn. »Nichts weiter?«
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Du glaubst?«
    Helena spürte Zorn aufwallen. »Ja, weil ich nicht in die Kranke hineinsehen kann und weil ich ebenfalls nicht zum Orakel tauge! Aber ich kann nach bestem Wissen und Gewissen sagen, dass es sich wohl nur um eine katarrhliche Erscheinung handelt, wie sie im Winter des Öfteren auftritt. «
    »Wohlan, wie du meinst. Und wie soll diese behandelt werden?«
    Nun überkam sie der Eifer. »Mit der weißen Abkochung! Dafür nehme man zwei Unzen Hirschhornpulver, die Krumen von einem hellen Stück Brot, gebe das in drei Pfund Wasser und koche es auf zwei Pfund ein. Es darf so viel Zucker hinzugegeben werden, bis sich ein angenehmer Geschmack einstellt.« Gespannt, aber schon fast siegesgewiss, wartete sie auf die Reaktion des Leibarztes.
    Dieser nickte der Seniorin zu. »Wohl bekomm’s.«
    »Habe ich also richtig behandelt?«
    »Das wird sich zeigen. Jedenfalls haben wir uns jetzt lange genug bei der Patientin aufgehalten, dafür, dass es angeblich nur ein Katarrh ist. Aber so sind die Weiber eben. Naiv wie einst im Paradies.« Der Leibarzt stand auf und ging zur Tür. »Falls Sie morgen noch leben, werte Seniorin, werde ich Ihnen ein dienliches und wie immer besonderes Mittel aus der Stiftsapotheke zukommen lassen.«
    Helena unterdrückte ein Grollen. »Einen Moment bitte noch. Die Kranke soll wenigstens nicht die ganze Nacht über ihre eigene hitzige Luft einatmen.« Sie ging zum Fenster
und

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