Maedchenfaenger #4
statt.
Doch an einem Sonntagabend um acht waren die Flure leer.
Bobby blickte von dem Stapel Papierkram auf seinem Schreibtisch auf, der nie kleiner zu werden schien, und sah durch die offene Tür hinaus in den leeren Büroraum. Zehn Metalltische, jeder mit einem Berg von Aktenordnern und Papieren, standen verlassen in der Dunkelheit. Es war so still, dass er den Verkehr draußen auf dem Dolphin Expressway hören konnte. Das Licht aus seinem Büro fiel auf das Schwarze Brett, das die ganze hintere Wand einnahm und an dem die Flugblätter der vermissten Kinder angeschlagen waren.
Eigentlich hätte er bis zum Ersten des Monats die Füße hochlegen sollen - seine hundertsechzig Stunden für Oktober waren schon im Kasten, und seit das FDLE keine Überstunden mehr zahlte, hatte er unfreiwillig bis November Urlaub -, doch das Verschwinden der kleinen Emerson war Grund genug, im Büro vorbeizukommen, einen Bericht zu tippen und ein paar Dinge abzuklären. Und als das getan war, konnte er den Aktenstapel auf seinem Schreibtisch nicht einfach ignorieren. Auch wenn es von oben hieß, man sollte Feierabend machen, weil der Staat zu pleite war, um Überstunden zu bezahlen - der Dienst war eigentlich nie zu Ende. Am Freitag hatte er ein Treffen mit der Staatsanwaltschaft, in dem es um eine behördenübergreifende Ermittlung wegen Kinderpornographie, die Beweisvorlage in einem bevorstehenden Mordprozess und einen etwas komplizierten Durchsuchungsbefehl ging, den er durchkriegen musste. Ob das FDLE ihn bezahlte oder nicht, er musste sich um jeden dieser Fälle kümmern. Und so war aus einem halbstündigen Abstecher in die Zentrale ein vierstündiger Aufenthalt geworden. Er rieb sich die Augen und stürzte den Rest Red Bull aus der Dose hinunter. Damit würde er zwar wahrscheinlich bis vier Uhr morgens durch die Wohnung tigern, aber er wollte nicht auf dem Nachhauseweg am Steuer einnicken. Schlaflosigkeit war ein Teufelskreis: Man war hundemüde, wenn man sich Müdigkeit nicht leisten konnte, und hellwach, wenn der Rest der Welt selig träumte. Er loggte sich aus AIMS im Intranet aus - dem «Automated Information Management System» -, in dem er gearbeitet hatte, und schob den Aktenstapel in seine Tasche. Dann, als der Computer bereits herunterfuhr, fiel ihm noch etwas ein. Er loggte sich wieder ein, ging ins Internet und klickte Elaine Emersons MySpace-Seite an. Sie hatte sich immer noch nicht wieder in ihr Profil eingeloggt. Er ging auf die Seite «Freunde von Lainey» und klickte auf das Icon mit dem Logo der Miami Dolphins. Der einzige Freund, von dem es kein Foto gab.
* ELCAPITAN
* Motto: NIEDER MIT DEN JETS!
Status: Single Orientierung: hetero
Hier: wegen Kumpels und Mädels Geschlecht: männlich Alter: 17
Ort: Jupiter, Florida
Letztes Update: 18. Oktober 2009
Bobby sah sich auf der Seite um. Im Hintergrund leckte eine animierte Rolling-Stones-Zunge provozierend über den Bildschirm. Auch wenn das Profil öffentlich war wie Laineys, was hieß, dass jeder es sich ansehen konnte, waren anders als bei Lainey die persönlichen Informationen ziemlich karg. Der Junge hieß Zach, wohnte in Jupiter und war in Football, Basketball und Baseball in der Highschool-Mannschaft. Außerdem spielte er Bass. Das war's. Nach den Albumcovers zu schließen, die in einer Ecke versammelt waren, reichte sein Musikgeschmack von Nine Inch Nails bis zu The Fray. Die meisten Teenager packten jedes noch so intime Detail ihrer Existenz auf ihre MySpace-Seite. Dieser hier schien der Ausnahmejunge zu sein, der tatsächlich auf die Warnungen vor dem Internet hörte.
Wer war Zach? Das war die Frage, auf die Bobby immer noch eine Antwort suchte. Und wo zum Teufel Todd LaManna am Freitagabend gewesen war. Der Gebrauchtwagenverkäufer des Monats war eindeutig eine miese Type. Und er versuchte etwas zu verbergen. Ob es etwas mit seiner vermissten Stieftochter zu tun hatte oder eher mit der bevorstehenden Zerrüttung seiner Ehe, blieb abzuwarten. Was den einsamen Jungen von Laineys Freundes-Seite anging, würde Bobby die E-Mail-Registrierungs-Info vom MySpace-Unternehmen auch mit einem Gerichtsbeschluss frühestens am Dienstag oder Mittwoch bekommen. Solange kein absoluter Notfall vorlag, brauchten selbst Gefälligkeiten ein paar Tage. Allerdings hatte er die Hoffnung, mit ein bisschen Geschick und Hilfe aus dem World Wide Web den Anwälten zuvorkommen und den Kerl selbst ausfindig machen zu können.
Ein paar Eingaben bei
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