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Maedchenfaenger #4

Titel: Maedchenfaenger #4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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roch den schwachen Gestank seines widerlichen Aftershaves, die Erde an seinen Schuhen, sei­nen muffigen Körpergeruch, vermischt mit ... Regen vielleicht?
    Der Geruch erinnerte sie daran, wie sie und Bradley auf dem Heimweg von Mrs. Ross ins Gewitter geraten und den ganzen Weg nach Hause gerannt waren. Selbst nach dem Umziehen war der Regengeruch noch in ihren Haaren und auf ihrer Haut gewe­sen. Doch sie schob die Erinnerung beiseite. An gute Zeiten zu denken tat zu sehr weh.
    Sie wagte nicht, etwas zu sagen. Er mochte es nicht, wenn sie flehte oder weinte oder versuchte, mit ihm zu sprechen. Dann wurde er sehr wütend - wahrscheinlich weil er sich durch­schaut fühlte bei seinem Spannerspiel. Wie der Junge, der durchs Schlüsselloch ins Mädchenklo guckt und sich nicht für das, was er tut, schämt, sondern nur dafür, dass er dabei erwischt wird. Angriff war die beste Verteidigung, sagte ihre Mutter. Und Lainey bekäme dann weder zu essen noch zu trinken, und zwar ziemlich lange.
    Also schwieg sie und tat nichts, während er sie im Dunkeln beobachtete wie ein Irrer in einem Horrorfilm - sie mit seinen unheimlichen Augen abtastete und widerliche Gedanken dabei dachte. Doch dass sie ihn in der pechschwarzen Welt, in der sie jetzt lebte, nicht sehen konnte, bedeutete nicht, dass sie ihn nicht bemerkte. Sie hatte ja noch andere Sinne. Sinne, die sich schärften wie bei einer Superheldin, seit sie in diesem stinkenden, feuchten, kalten Kerker saß. Jedes Knarren, jedes Flüstern, jeden Wind­hauch und jedes Rascheln hörte sie. Laute, die sie bis dahin nie beachtet hatte. Und auch ihr Geruchssinn war übernatürlich gut. Jetzt zum Beispiel. Nie hätte sie gedacht, dass sie die Erde an jemandes Schuhen riechen könnte, und doch wusste sie das ganz genau. Anscheinend war er durch Matsch gelaufen, und der satte Erdgeruch, vermischt vielleicht mit ein bisschen Hundescheiße, war so stark und vertraut wie Benzingeruch an der Tankstelle oder Popcorn im Kino. Und das Geräusch seines Atems, langsam und kontrolliert durch den Mund, war so laut und deutlich, als würde er es direkt in ihr Ohr flüstern. Sie konnte ihn hören, und manchmal atmete er schwerer ...
    Lainey gefiel die Vorstellung, dass sie sich langsam in eine Superheldin verwandelte. Dass sie stärker wurde - jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, die sie hier eingeschlossen war, gegen ihren Willen angekettet. Dass ihre Kräfte wuchsen - Kräfte, von de­nen sie nicht mal wusste, dass sie sie besaß, bis zu diesem wahr gewordenen Horrorfilm. Jedes Mal, wenn sie einen Geruch vom anderen Ende des Raums oder einen Luftzug unter der Tür wahr­nahm, stellte sie sich vor, sie mutierte zu einer Superheldin - wie Ciaire, das ganz normale Schulmädchen aus dem Cheerleaderteam in ihrer Lieblingsserie Heroes, die alles andere als normal war. Und so wie bei Ciaire wären ihre Kräfte eines Tages voll ent­wickelt, und dann würde sie sich von den Ketten befreien, mit denen sie an die Wand gefesselt war. Sie würde aufstehen, und sie würde wieder sehen können, und mit ihren übermenschlichen Kräften würde sie ihn finden, in der Ecke, in der er hockte und sie beobachtete, ein rotgesichtiger Rotzjunge, und seine unheim­lichen schnaubenden Geräusche machte, während er schlimme Gedanken hatte. Zuerst wäre er überrascht. Richtig überrascht. Weil sie ihn durchschaut hatte. Aber dann bekäme er es mit der Angst zu tun. Er würde mehr Angst haben als je zuvor in seinem ganzen widerlichen Leben. Weil ihre Kräfte dann vollständig ent­wickelt wären. Sie würde mit einem Sprung auf ihm sein und ihn schlagen, bis er aufhörte, diese Geräusche zu machen. Bis er nichts mehr sehen konnte ...
    «Weißt du, dass ich hier bin?», flüsterte es plötzlich aus der Dunkelheit.
    Ihr blieb fast das Herz stehen. Es war die Stimme des Teufels, und er hatte ihre Gedanken gelesen. Sie fing zu zittern an. «Ich will nach Hause, Mister. Bitte. Ich will zu meiner Mutter.»
    Er seufzte genervt.
    «Bitte! Ich verrate niemandem was. Bitte, lassen Sie mich ge­hen!»
    Sie hörte, wie er aufstand, vom Stuhl oder von dem Boden, wo immer er gesessen hatte. Seine Gelenke knackten. Langsam kam er auf sie zu, sein Gestank füllte ihre Nase, und sie musste würgen. Sie versuchte wegzukriechen, aber sie konnte nirgendwohin. Es gab kein Versteck.
    Vor ihr bückte er sich und streckte die Hand aus, um ihr das Haar hinters Ohr zu streichen. Dann beugte er sich näher heran. «Die Zeit ist um», flüsterte

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