Maedchenfaenger #4
die Vermissten in verschiedene Kategorien unterteilt: Vermisst, Gefährdet, Jugendliche/Kinder mit Behinderung, Elterliche Kindesentziehung, Katastrophenopfer und Ausreißer. Die meisten waren Teenager. Einige wurden seit Stunden vermisst. Andere seit Jahren.
Bobby wusste, dass die ME PIC-Website nur so gut war wie die Informationen, mit denen sie gefüttert wurde. Hunderte, vielleicht Tausende vermisste Kinder schafften es gar nicht erst auf die Seite, weil sich niemand einen Dreck darum kümmerte, ob sie nach Hause kamen oder nicht. Das galt vor allem für Teenager in Pflegeeinrichtungen. Laut Schätzungen belief sich die Zahl der sogenannten Wegwerfkinder im ganzen Land auf bis zu zwei Millionen. Dann gab es Ausreißer, die zwar bei der Polizei als vermisst gemeldet worden waren, nicht aber beim Clearinghouse. Denn es bedurfte einer eigenverantwortlichen Maßnahme des zuständigen Polizeibeamten, das Kind nicht nur beim NCIC als vermissten Minderjährigen einzutragen, sondern zum Hörer zu greifen und MEPIC anzurufen. Für viele Cops in vielen Dezernaten schien sich die Mühe einfach nicht zu lohnen bei einem Kind, das a) niemanden hatte, der sich Sorgen machte, und b) bei nächster Gelegenheit wahrscheinlich wieder ausriss. Schließlich war ein Streifenpolizist kaum in der Lage, die Probleme zu lösen, deretwegen der oder die Kleine abgehauen war. Manchmal, so die herrschende Meinung, war ein Jugendlicher allein besser dran.
Was bedeutete, dass die Liste auf der MEPIC-Website alles andere als vollständig war.
Steckbriefe und Polizeiberichte waren auf dem Esstisch ausgebreitet. Auf den ersten Blick passte die Leiche zu keiner der MEPIC-Ausreißerinnen. Andererseits fehlte dem Mädchen das halbe Gesicht, die Verwesung hatte eingesetzt, und die Beschreibungen auf MEPIC waren, gelinde gesagt, dürftig. Da er wusste, dass die MEPIC-Liste nicht vollständig war, hatte Bobby Dawn Denaro, die Analystin seiner Truppe, angewiesen, alle aktuellen MEPIC-Steckbriefe aus den Countys Broward und Miami-Dade herunterzuladen, auszudrucken und zusammenzuheften. Es waren 127 Namen - 79 davon weiblich. Zu den meisten gab es Fotos. Zu manchen nicht. Später am Nachmittag hatte Dawn mit der mühsamen Arbeit begonnen, auf jedem Revier in Broward und Miami-Dade Hunderte von Vermisstenmeldungen einzusammeln, die bis zu einem Jahr zurückgingen. Jede Meldung wurde sowohl mit den NCIC-Einträgen vermisster Minderjähriger als auch mit der MEPIC-Website gegengecheckt, um zu überprüfen, ob jeder Teenager, der bei der Polizei als vermisst gemeldet war, inzwischen entweder gefunden wurde und wieder bei seiner Familie war oder noch auf der MEPIC-Liste stand. Es war eine Sisyphosarbeit, und trotzdem hätten sie am Ende keine vollständige Liste aller verschwundenen Kinder, weil es über Wegwerfkinder einfach keine Akten gab. Aber es war wenigstens ein Anfang. Denn als Bobby das Chaos auf dem Esstisch betrachtete, war das Einzige, was er sicher wusste, dass es ohne akkurate Liste potenzieller Opfer unmöglich wäre, die Unbekannte zu identifizieren. Und ohne Geständnis, biologisches Spurenmaterial oder ein Wunder wäre es unmöglich, ihren Mörder zu finden.
Neben seinem längst kalten Kaffee lag Mark Feldings Liste. Die «Enthüllungsliste», die der Reporter bei seinen Recherchen für Channel Six zusammengestellt hatte. Mit dem Vorbehalt, dass es sich um ein Work in Progress handelte, hatte Mark die 127 Namen der Ausreißer aus Broward und Dade von der MEPIC-Website genommen und Antrag auf Akteneinsicht gestellt, woraufhin er die Polizeiberichte von etwa siebzig der Fälle erhalten hatte. Die Berichte enthielten weitaus mehr Details als die MEPIC-Einträge. Mark hatte die Informationen zu den Opfern nach Hautfarbe, Religion, Alter, Vorstrafen, Familienhintergrund, besonderen Kennzeichen, Beschreibung der Kleidung, Ort des Verschwindens und Umständen des Verschwindens sortiert. Offensichtlich hatte er vorgehabt, den Behörden bei bestimmten Opfertypen Diskriminierungsmuster nachzuweisen - ein Vorwurf, der in der Presse viel Lärm gemacht hätte.
Bobby verbrachte den großen Teil des Wochenendes am Esstisch damit, jeden Polizeireport und MEPIC-Steckbrief sorgfältig auf Details oder eine Beschreibung zu durchkämmen, die auf das tote Mädchen aus dem Regal Hotel passten. Die Tote hatte er bis jetzt nicht finden können, doch dafür war ihm etwas anderes Merkwürdiges aufgefallen. Allegra Villenueva, eine
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