Maedchenfaenger #4
Fleisch hingen noch an Schädel und Hals, wie ein abgenagter Hühnerflügel, der zu lange neben einer Mülltonne im Park in der Sonne gelegen hatten. Lange blonde Haarsträhnen klebten unter dem Schädel, von dem die Kopfhaut abgerutscht war. An einer Kette um den Hals hing ein leuchtendes neonrosa Herz im Herz, das auf dem Ausschnitt eines schwarzen Got-Milk-T-Shirts ruhte. Bobby sah nach un ten. Knochige Finger lagen seitlich am Körper. Am Daumen der rechten Hand fehlte das oberste Glied. Er zog den Reißverschluss wieder zu. Über sich konnte er das Dröhnen eines nahenden Helikopters hören. Die Presse. Bobby wusste, dass sie mit einem Teleobjektiv sogar die Haare in seiner Nase groß aufs Bild holen konnten, wenn sie wollten. «Lassen Sie die andere Leiche liegen», sagte er zu Lafferty.
«Fangen Sie nicht an, mir Befehle zu erteilen, junger Mann», begann Lafferty gereizt, während er Bobbys Blick folgte und unbehaglich nach oben blickte.
«Das ist jetzt eine Ermittlung des FDLE. Ich muss Ihnen keine Befehle erteilen, denn alles, was Sie hier noch zu tun haben, ist, den Bericht darüber zu schreiben, wie Sie meinen Tatort verpfuscht haben.» Bobby wandte sich an die Techniker, die betreten herumstanden. «Legt sie in den Wagen. Aber fahrt nicht los, bevor ich es sage. Und die andere bleibt, wo sie ist.»
Zo kam, als Lafferty gerade unter eine Dattelpalme davonstürmte und übers Telefon eine Schimpftirade an seine Befehlskette losließ. «Nett, wie du dir Freunde machst und deine Mitarbeiter lenkst», sagte er. «Bin ich froh, dass ich hier der Boss bin.»
«Wo ist die undichte Stelle?», fragte Bobby.
«Keine Ahnung. Kam alles über Funk. Es gehört nicht viel dazu, den Polizeifunk anzuzapfen. Der Fairness halber, es ist niemand auf die Idee gekommen, dass es sich um Picasso handeln könnte, bis dein Freund mit dem Kamerateam hier aufgekreuzt ist.»
«Hast du angerufen?»
«Ja. Miami-Dade ist dabei, und das Broward Sheriff's Office ebenfalls. Je zwei Leute. Fort Lauderdale kannst du vergessen, glaube ich, aber dafür stiftet die City einen Mann. Du hast jetzt ganz offiziell eine Spezialeinheit, Shep.»
48
Jahre bevor auf NBC mit Emergency Room und dem schönen George Clooney die Notaufnahme zum romantischen Schauplatz geworden war, gingen Denzel Washington und Howie Mandel im St. Elsewhere auf Visite. Zu der Zeit beschloss LuAnn Briggs, eine junge, beeinflussbare Highschool-Schülerin auf der Suche nach einer aufregenden Berufsausbildung, Krankenschwester zu werden. Und zwar nicht irgendeine Arzthelferin in weißer Tracht, die sich die Zunge rausstrecken ließ und Fieber maß, sondern eine Schwester, die jeden Tag etwas Großes leistete - Leben rettete, Zugänge legte, Patienten in den OP schob und Herzen wieder zum Schlagen brachte. Sie wusste, dass ihr Vater - der auf derselben Couch in Shreveport, Louisiana, dieselbe Ärzteserie mit ihr sah - sie niemals Medizin studieren lassen würde, selbst wenn er es sich hätte leisten können. Ihre Noten waren ausgezeichnet, aber der Arztberuf war nichts für eine Frau. Krankenschwester dagegen war ein ehrbarer Beruf, das Beste, was sie sich wünschen konnte. Aber LuAnn wollte mehr als ehrbar sein. Sie wollte Aufregung, Hochspannung. Es sollte um Leben oder Tod gehen. Sie wollte wie eine der Schwestern im St. Elsewhere sein und Ärzten wie Howie und Denzel zur Seite stehen, wenn sie lässig und tapfer die hoffnungslosen Fälle zusammenflickten. Also entschied sie sich für die Notfallmedizin und beschloss, ihre Ausbildung in New York zu machen. Sie war noch nie dort gewesen. Zehn Tage nachdem sie in Louisiana ihren College-Abschluss machte, landete sie mitten in der Hölle.
Im Jamaica Hospital waren Schussverletzungen an der Tagesordnung, Stichwunden waren Routine. Es wurden keine spannungslösenden Witze gemacht, wenn sich die Lage in der Notaufnahme von schlimm zu katastrophal verschlechterte. An den Kaffeemaschinen standen keine hübschen, jungen, sorglosen Ärzte herum. Die Patienten waren undankbar, die Krankenhausverwaltung erbarmungslos. Hätte LuAnn sich nicht für zwei Jahre verpflichtet und den Bonus für die Einschreibung kassiert, hätte sie es nicht länger als eine Woche ausgehalten.
Doch dann hätte sie Detective Bobby Dees nicht kennengelernt.
Achtzehn Jahre waren seit der furchtbaren Nacht vergangen, als Bobby mit schwächer werdendem Puls auf einer blutgetränkten Trage in die
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