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Maedchenlose

Titel: Maedchenlose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Augusti
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jubelten so hell in der blauen, sonnigen Luft, daß Ernas melancholische Stimmung nicht lange standhielt; hatte sie doch auch ihre geliebte Nora zur Seite, die einzige, der sie, außer ihrer Mutter, volles Vertrauen schenkte und welcher sie durch mündliche und schriftliche Mitteilung einen Einblick in ihr innerstes Denken und Fühlen gestattete, »Nein!« rief sie und richtete sich aus ihrer Versunkenheit empor, »ich will mir diese wenigen Stunden, in denen ich dich noch für mich habe, durch nichts trüben lassen. Ach, geliebte Nora, welche himmlische Zeit hätten wir verleben können, wenn du in Mamas Abwesenheit bei uns in M. geblieben wärst.«
    »Ich hätte schwerlich so langen Urlaub von meinen Eltern erhalten können und glaube außerdem, deine Mutter wünschte ausdrücklich, du möchtest einmal eine Weile unter fremden Menschen leben.«
    »Aber warum? ich kann mir unmöglich denken, daß uns etwas heilsam sein kann, was so sehr unserer Natur widerstrebt.«
    »Doch, doch, mein Liebling, ein Menschenkind kann nicht heranwachsen wie eine wilde Blume auf dem Felde; dürfen doch selbst die edleren Pflanzen nicht allein ihrer Natur folgen, sondern werden gezogen, wie es ihr Herr und Meister will. Wenn ich daran denke, welchen Segen mir einst der Aufenthalt in eurem Hause gebracht hat, wie bereichert und gereift ich zu meinen Eltern zurückkehrte, so möchte ich allen jungen Mädchen wünschen, eine Zeitlang in der Fremde zu leben; den einen, damit sie erkennen lernen, wie gut sie es zu Hause haben, den andern, damit sie einsehen, daß es auch außerhalb ihres engen Kreises Menschen giebt, die ihrer Beachtung und Teilnahme wert sind.«
    »Zu den letzeren rechnest du mich, und vielleicht hast du recht damit. Aber ist es meine Schuld, wenn ich noch nie einen so klugen und ritterlichen Mann, wie meinen Vater, eine so schöne, gütige und geistvolle Frau, wie meine Mutter, ein so sonniges, goldlockiges, Kind, wie unsere Nora, gefunden habe?«
    »Oder ein junges Mädchen, wie Erna, mit so hochfliegenden Träumen, so tiefsinnigen Gedanken?«
    »Du spottest, Nora, und doch hast du auch hier ein Fünkchen recht; wirklich fand ich noch nie ein Mädchen, dem ich es zugetraut hätte, mit mir in dem zu sympathisieren, was mir das Höchste und Liebste ist. Sie interessieren sich für ihre Kleider, ihre Gesellschaften, für hundert kleine und erbärmliche Dinge, aber von ernstem, geistigem Streben sind sie weit entfernt.«
    »Vielleicht hast du es auch noch nie der Mühe wert gehalten, sie für etwas Besseres zu interessieren; und sie ahnen gar nicht einmal, was in dir lebt. Auch ist das Kleine nicht immer unserer Beachtung unwert, sondern nur das Kleinliche.«
    »Ach Nora, ich fürchte, du hast immer recht, und ich sehe, es ist unnütz, mit dir zu disputieren; ich werde mich künftig ein für allemal deiner weisern Erkenntnis auf Gnade und Ungnade ergeben.«
    Nora lächelte nur zu diesem Vorsatz, der auch keineswegs zur Ausführung kam, denn Erna hatte über jeden Gegenstand ihre verschiedene Ansicht, die sie mit Eifer und oft mit Hartnäckigkeit verteidigte. Die verhältnismäßige Abgeschlossenheit, in der sie bisher gelebt hatte, die ausschließliche Beschäftigung mit geistigen Dingen hatten ihrem regen Gedankenleben fast zu reichlichen Vorschub geleistet, und daneben hatte es ihr noch an Gelegenheit gefehlt, ihre Anschauungen an andern zu messen und an der Wirklichkeit zu berichtigen.
    Gegen Mittag näherten die Reisenden sich ihrem Ziel; langsam rollte der Wagen die stark ansteigende Chaussee hinauf, welche zu beiden Seiten von dicht bewaldeten Hügeln anmutig begrenzt wurde.
    »Sieh, Erna,« sagte die Freundin, »hier ist zu deinem Besten auch die Romantik vertreten; der alte Turm, der dich dort vom Berge herab begrüßt, und das zerfallene Gemäuer rings umher stammt aus der Zeit der deutschen Ordensritter und hat gewiß manchen harten Strauß mit Polen und Heiden gesehen.«Endlich war die Höhe erreicht; an den Häusern des Dorfes vorüber führte der Weg in den Hof, wo inmitten der Wirtschaftsgebäude das schlichte Wohnhaus stand. Ein paar Hunde schlugen an, die Hausthür öffnete sich, und heraus quoll eine solche Menge von Personen, Kindern und Erwachsenen, daß es Erna schwindelte, – wie sollte sie sich je in diesem Chaos zurechtfinden!
    Zweites Kapitel

Neue Eindrücke
    Erna an ihre Mutter.
    Lindenhorst, den 8. Juni.
    Meine heißgeliebte Mama!
    Acht Tage ist es her, seit Du von mir schiedest, aber mir scheint

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