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Maedchenlose

Titel: Maedchenlose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Augusti
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fand, die mir zu jener Stimme zu passen schien, sie selbst hörte ich niemals wieder, obgleich sie sich unauslöschlich in mein Herz eingeprägt hatte. Ich glaube, ich würde sie heute noch wiedererkennen.«Die Geschichte erregte mich bis ins tiefste Herz – es kann nicht anders sein, die Stimme, die schmerzlich gesuchte und nie gefundene, muß – unserer Nora angehören. Liebste, beste Mama, ist Dir das nicht ebenso klar und einleuchtend, wie mir? Hast Du mir nicht oft erzählt, wie Nora in dunkler Nacht den Arzt holen ging und mich dadurch als kleines Kind vom Tode rettete? Ich habe zwar nie gehört, ob ihr dabei ein ähnliches Abenteuer begegnet sei, denn sie selbst mochte nicht von der Sache sprechen, aber es ist doch so möglich, sogar wahrscheinlich. Ich zerbreche mir den Kopf, auf welche Weise ich die Angelegenheit aufklären könnte, doch mag ich niemand ins Vertrauen ziehen, das käme mir unzart vor. Fräulein Lietzner meint, der Regierungsrat wäre unverheiratet, vielleicht, wenn er seine lang gesuchte Stimme fände – – o Mama, warum bist Du nicht hier, um mir zu raten? Bis morgen bleibt er hier, wenn mir nur ein guter Gedanke käme!
    Den 30. Juni.
    Heute war ich sehr früh auf, und da unsere Arbeiten für Lieschen beendet sind, machte ich einen Spaziergang durch den schattigen Waldweg, der sich dem Garten unmittelbar anschließt. Es war sehr schön und friedlich still, der Gesang der Vögel ist beinahe ganz verstummt; ich setzte mich am Rande des Weges hin und wollte etwas lesen, aber meine Gedanken schweiften fortwährend zu Nora und dem Regierungsrat hinüber. Auf einmal hörte ich Schritte und ein leises Pfeifen – wenige Augenblicke später stand Herr Freyenstein mir gegenüber. Er war augenscheinlichsehr überrascht und sagte höflich: »Ich hatte nicht geglaubt, hier schon jemand zu treffen; ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt, mein Fräulein?« Mir schlug das Herz: jetzt oder nie! Die Gelegenheit war zu günstig, um sie unbenutzt zu lassen.
    »Ich dachte eben an Sie, Herr Regierungsrat,« begann ich mit etwas unsicherer Stimme, und an die Episode Ihres Lebens, die Sie gestern erzählten. Ich glaube, ich kenne die Stimme.«
    »Sie, mein liebes Fräulein?« sagte er lächelnd, »verzeihen Sie, Sie waren damals wohl ein sehr kleines Kind, und ich wüßte in der That nicht, welche Kenntnis Sie von einem Erlebnis haben sollten, von dem ich bisher kaum gegen irgend jemand gesprochen habe.«
    »War der Schauplatz nicht in M.?« fragte ich, »und sind es im November nicht gerade zehn Jahre her?«
    »Ja«, versetzte er erstaunt, »aber ich begreife nicht ...«
    »Meine Eltern hatten damals ein junges Mädchen bei sich, welches seitdem durch die innigste Freundschaft mit uns verbunden ist. In Abwesenheit der Eltern erkrankte ich heftig, Nora ging in der Nacht, um den Arzt zu holen, wir sind ihr dafür für immer zu lebhaftem Dank verpflichtet.«
    »Wer ist die Dame? wo lebt sie? wie alt ist sie?«
    »Sie heißt Nora Diethelm, lebt in D. und ist etwa sechsundzwanzig Jahre alt«, erwiderte ich ebenso kurz.
    »Natürlich längst verheiratet?«
    »Nein, sie lebt bei ihren Eltern.« Es kam mir vor, als ob ein Strahl der Freude über sein Gesicht flöge.
    »Sehr seltsam und überraschend in der That«, sagte er nachdenklich. »Wahrscheinlich haben Sie Ihre Mutmaßungen bereits den Herrschaften hier mitgeteilt?«
    »Nein, ich habe zu niemanden darüber gesprochen.«
    »Dürfte ich Sie bitten, auch ferneres Schweigen zu beobachten? Ich hatte die kleine Geschichte sicher nicht erzählt, hätte ich nicht geglaubt, sie wäre gewissermaßen begraben und nur eine Erinnerung aus der Vergangenheit. Es trifft sich merkwürdig, daß ich in wenig Tagen nach D. übersiedle, ich bin an die dortige Regierung versetzt. Vielleicht fügt es der Zufall, daß ich Fräulein Diethelm einmal begegne, darf ich mich in diesem Fall mit Grüßen von Ihnen bei ihr einführen?«
    »Ich bitte sehr darum, Nora steht uns so nahe, daß herzliche Grüße von einem von uns nur etwas Natürliches sind. Außerdem ist sie eine Verwandte des hiesigen Hauses.«
    »Bitte, mein liebes Fräulein, schreiben Sie auch Ihrer Freundin nichts von dieser Unterredung, vielleicht ist ihr die Erinnerung an jenes kleine Abenteuer nicht angenehm.«
    Er reichte mir die Hand, die ich herzhaft schüttelte, zum Zeichen meiner Bereitwilligkeit, das erbetene Schweigen zu beobachten; dann grüßte er höflich und ging weiter. Ich raffte Hut und Buch zusammen und

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