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Maedchenlose

Titel: Maedchenlose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Augusti
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Engel Wagen sei's. Lucifer fuhr darauf,
Als die Milchstraße er durchmaß in schnellem Lauf
Bis an die Himmelsthür, um mit Gott selbst zu streiten;
Bis Michael herab ihn stieß und warf zur Seiten
Den Wagen, der nur noch zertrümmert weiter rollt,
Herstellen hat ihn nie des Engels Zorn gewollt.
    Auch ist es wohlbekannt bei manchen weisen Alten,
Die von Rabbinern einst die Kunde wohl erhalten,
Daß jener große Drache dort am Himmelszelt,
Der seinen lichten Schweif zieht durch die Sternenwelt
Und den »die Schlange« nennt der Astronomen Schar,
Einstmals ein Riesenfisch, der Leviathan war.
Im Meere lebt' er einst, doch als der Sündflut Wogen
Verrauscht, da ward die Füll' des Wassers ihm entzogen.
So trugen Engel denn empor den Riesenleib,
Daß zum Gedächtnis er für immer dort verbleib'.
    Im Walde.
    Hoch überm Haupte wölbt sich grün der Heimat Wald,
So ernst und doch so hell von Vogelsang durchschallt.
Die Vogelkirschen stehn, von Hopfen grün umkränzt,
In bäurisch frischem Rot die Eberesche glänzt.
Den grünen Thyrsusstab schwingt hoch die Haselnuß,
Mit Früchten sie sich schmückt vom Kopfe bis zum Fuß,
Der Weihdorn zärtlich sich zur Berberitze bückt,
Brombeer' den dunklen Mund an den Hollunder drückt.
Es schließen Baum und Strauch sich eng zum grünen Kranz,
Wie holde Mädchen gehn mit Jünglingen zum Tanz
Ums hochzeitliche Paar. Es ragen aus der Menge
Zwei Stämme hoch empor aus dichtem Laubgedränge:
Weißbuch' und Birke sind's, in hochzeitlichem Kleide,
Sich gleich an schlankem Wuchs und Reiz der Färbung beide.
Und wie an Kindern sich und an der Enkel Schar
Die Alten schweigend freun, steht dort ein Buchenpaar;
Pappeln, Matronen gleich; vom moos'gen Bart umwallt.
Die Eiche, die gesehn fünfhundert Jahre bald.
Sie lehnt, als wäre sie uralter Gräber Wächter,
An die versteinte Spur versunkner Waldgeschlechter,
    Und grüne Dämmrung rings; die Zweige dicht belaubt,
Sie wölben mauergleich sich über meinem Haupt.
Und drüber treibt der Wind sein unablässig Spiel,
Er wimmert, rauscht und seufzt, er klagt in Tönen viel,
Geheimnisvoll und märchenhaft. Mir aber träumte,
Daß über mir das Meer in wilden Wogen schäumte.
    Unten ist Stille. Nur der Specht am Baume dort
Pocht mit dem Schnabel an, duckt sich – husch, ist er fort,
Man hört sein Klopfen noch, obgleich der Wald ihn deckt,
Dem Kinde gleich, das ruft: such' mich! wenn sich's versteckt.
Ein flinkes Eichhörnchen sieht man an Nüssen nagen,
Ein Büschel Haare muß es auf der Stirne tragen,
Dem Helmbusch gleich, der auf Soldatenhäuptern nickt.
Obgleich so halb verhüllt, es keck doch um sich blickt;
Sobald's den Fremden sieht, schwingt sich's von Zweig zu Zweigen
Als wollt' es seine Kunst als Waldestänzer zeigen.
Plötzlich im dichten Laub entschwindet es dem Blick,
Wie die Dryade kehrt in ihren Baum zurück.
    Nun wieder Stille rings. Da raschelt's in den Büschen,
Wo traubenreiche Ebereschen stehn, dazwischen
Erglänzt in gleichem Rot ein frisches Angesicht,
Ein Mädchen ist's, das Beeren sucht und Nüsse bricht.
Ein Körbchen trägt's am Arm, von Rinde schlicht und rund,
Mit Beeren, schwellend rot gleich seinem Kindermund.
Der Knabe neben ihr schlägt auf die Haselzweige,
Damit sich ihre Last hinab zur Schwester neige.
    Da tönet Hörnerklang, der Rüden laut Gebelle:
Es zieht die Jagd sich hin nach dieser Waldesstelle.
Die beiden horchen auf – und im Gewühl der Blätter
Verschwinden sie erschreckt, lautlos wie Waldesgötter.
    Den 10. Juli.
    Vormittag war Frau Neßler zum erstenmal draußen, sie saß in einem bequemen Stuhl vor der Thür und sah sehr zufrieden aus. Ich saß ein Weilchen bei ihr, als Herr v. Rothenburg vorüberging.
    »Ist das nicht der liebe Herr, der mich gerettet hat?« fragte sie. Ich bejahte, sie faltete ihre Hände und murmelte Segenswünsche für ihn. Nach einer Weile kam er zurück und trat zu uns heran.
    »Wie geht es Ihnen, Frau Neßler?« fragte er freundlich.
    »O lieber, gnädiger junger Herr,« sagte, sie, »wie solltees mir nicht gut gehen! ich lebe ja hier unter lauter Engeln. Nur noch ein bißchen schwach bin ich, sonst schon viel besser. Ach, wenn ich nur einmal die Hand küssen dürfte, die mich aus dem Feuer gezogen hat!« Sie richtete sich halb empor, über Rotenburgs Gesicht glitt ein unwilliger Schatten, er wollte eben den Mund zu einer abweisenden Bemerkung öffnen, aber ich sah ihn so bittend an, daß er sich besann. Er trat einen Schritt näher und reichte ihr die Hand, die sie ehrfürchtig

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