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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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allein zur » Corrida « gehe, ist es dem rothaarigen Püppchen endlich gelungen, die eingedrückte Lasche aus seiner Oranginadose zu fummeln und sich das Metall langsam über den linken Handrücken zu ziehen. Die Augen des Trägerkleidmädchens weiten sich, dann schlägt es die Hand vor den Mund, auch das Jeansjackenpüppchen sieht nun, was das rothaarige Püppchen neben ihm anrichtet. Es will ihm die Metalllasche aus der Hand reißen, bevor noch mehr Blut fließt, aber das rothaarige Püppchen lässt sich nicht abbringen. Rechts und links beginnen die Leute zu tuscheln und wegzurücken, bis das Jeansjackenpüppchen das rothaarige Püppchen an der blutigen Hand in die Höhe zerrt und sich mit ihm in Richtung Ausgang schiebt.
    Mindestens hundert Zuschauer verpassen auf diese Weise den Moment, in dem auch der zweite Stier zur Seite fällt und seine Beine gen Himmel streckt.

Das Shooting
    Am Samstagmorgen kaufte mein Peiniger einen großen Stapel Zeitungen. (Wir waren noch immer in Arles, die Nacht hatten wir in einem Première-Classe -Hotel nahe der Autobahnauffahrt verbracht.) Die beiden Zeitungen, die ich kannte, Le Figaro und Le Monde , hatte er rasch durchgeblättert und zur Seite geworfen. L’Equipe schien eine reine Sportzeitung zu sein, jedenfalls machte er sich kurz über irgendeinen Radfahrer lustig, der einen Schäferhund besaß und bei dem großen Rennen, das gerade in Spanien stattfand, in Führung lag. (Allerdings habe ich nicht richtig verstanden, was so komisch daran ist, dass ein Radler einen Schäferhund besitzt. Es musste irgendetwas mit dessen Namen zu tun haben, denn mein Peiniger meinte, »die sollen den lieben Sowieso doch mal fragen, wie sein Schäferhund heißt«.) Bei Aujourd’hui en France handelte es sich um eine der Zeitungen, die mein Vater nicht anfassen würde. (Er hatte mir einmal erklärt, dass er aus Prinzip keine Zeitungen lese, die in der Mitte nicht quergefaltet seien, die man also nicht aufschlagen müsse, um die ganze Titelseite überblicken zu können.) Mit La Provence hielt sich mein Peiniger etwas länger auf, offensichtlich war er bei dem Bericht zum gestrigen Stierkampf hängen geblieben. (Der mexikanische Matador schien in irgendeiner Weise »gewonnen« zu haben. Auf der Titelseite war jedenfalls ein großes Bild zu sehen, wie er auf Schultern aus der Arena getragen wurde.)
    In Le Dauphiné Libéré fand mein Peiniger endlich, wonach er gesucht hatte: Einen Artikel über » un crime hideux, atroce et lâche «, das sich in der Nacht von Donnerstag auf Freitag außerhalb von Montélimar zugetragen habe.
    Vermutlich fragen Sie sich jetzt, wieso Le Dauphiné Libéré von diesem »abscheulichen, schrecklichen und feigen Verbrechen« so schnell Wind bekommen hatte. (Wie ich nach meiner Rückkehr erfahren sollte, hatte das Campanile -Hotel zwar gleich am Morgen über die Vandalen geflucht, die ihre Laken (und die Fernbedienung) besudelt hatten - aber ich bin sicher, dass sie zu jenem Zeitpunkt noch nicht ahnten, was sich in ihrem Zimmer Numéro 117 tatsächlich ereignet hatte.) Die Antwort ist ganz einfach: Mein Peiniger hatte es darauf angelegt. Erinnern Sie sich an seine Rede von der »offenen Rechnung«, und schon können Sie sich selbst zusammenreimen, was in den frühen Morgenstunden des 8. September geschehen sein muss.
    (Okay, okay. Ich will beherzigen, was meine Deutschlehrerin mir einmal an den Klausurrand geschrieben hat: »Liebe Julia, Sie können davon ausgehen, dass ich, die ich Werther gleichfalls gelesen habe, verstehe, was Sie sagen wollen. Aber formulieren Sie Ihre brillanten Erkenntnisse in Zukunft doch bitte so, dass auch Nichteingeweihte die Chance erhalten, an ihnen teilzuhaben...«)
    Zu Beginn meiner Geschichte habe ich erzählt, dass es zahlreiche Spekulationen darüber gegeben hat, worauf es mein Peiniger eigentlich abgesehen hatte: Ob er wollte, dass seine Schandtaten möglichst lange unentdeckt blieben, damit er auf diese Weise ungestört weitermachen konnte. Oder ob er sich insgeheim wünschte, dass »seine« Leichen gefunden würden. Denn ohne Leichen kein Verbrechen. Und ohne Verbrechen keine Schlagzeilen. (Ein paar besonders einfältige Menschen haben sogar vermutet, er habe angefangen, seine Leichen zur Schau zu stellen, weil er gestoppt werden wollte ... Und morgen kommt der Weihnachtsmann... (A propos: Haben Sie gestern Nacht einen Stiefel vor die Tür gestellt? Obwohl ich hier in Berlin in einem ziemlich coolen Haus wohne, hat die Hälfte

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