Maedchenmoerder Ein Liebesroman
wegzulocken. Obwohl ihm zwei rote Bäche den Hals herunterlaufen, sieht er aus wie einer, der gewonnen hat, stolz trabt er eine Runde durch den Sand, den Kopf so weit erhoben, wie der verletzte Nacken es erlaubt.
Falls Ihre Sympathien dem Stier gelten, empfehle ich Ihnen, ihm zuzurufen, dass er die letzten Momente, in denen er den Kopf noch so hoch tragen kann, genießen soll, denn gleich kommt der weißgekleidete Matador in die Arena getänzelt, um ebenjenen Nacken mit erst zwei, dann vier, dann sechs fransengeschmückten Spießen zu verzieren. Nicht nur mein Peiniger tobt vor Begeisterung, und da wir hier oben so weit weg sind, sage ich Ihnen, dass die anderen fünf- oder zehntausend Leute, die mit ihm toben, aus der Nähe wie ganz normale, freundliche Arlesienner und Arlesiennerinnen aussehen. (Aber er selbst sieht ja auch so aus, als ob er unter seiner Jeansjacke nur eine große Rose verbergen würde.)
Und nun stehen sie sich gegenüber. Auge in Auge, blutender Stier mit Spießen im Nacken und weißgekleideter Matador mit rotem Tuch und Degen in der Hand. Sie wirken nicht, als ob sie sich erst seit zehn Minuten kennen würden. So nah führt der kleine Matador den Stier an seinem Körper vorbei, dass sich sein Kostüm ganz rot färbt. Gelingt ihm eine besonders elegante Drehung, reißt er sein Kinn in die Höhe und stelzt ein paar Schritte in Richtung Publikum. Der Stier in seinem Rücken bleibt stehen. Den Nacken gesenkt, schwer atmend wartet er darauf, dass sein Partner genug vom Jubel hat und ihn in die nächste Umdrehung schickt.
Das Töten gelingt nicht auf Anhieb. Beim ersten Mal prallt der Degen ab und springt in den Sand. Zwei Toreros kommen aus den Holzverkleidungen geeilt und wollen dem Matador helfen, doch der schickt sie mit unwirscher Geste zurück. Es gelingt ihm selbst, den Degen aufzuheben (vom » Fauve d’amour, verité dans l’epée « ist nur noch eine schmutzige Wolke im Sand geblieben) und diesen in den schwarzen Nacken zu stoßen, dass er bis zum Heft verschwindet. Das »Raubtier der Liebe« macht ein paar Schritte, als hätte es den Stahl in seinen Eingeweiden noch nicht bemerkt, dann knicken seine Vorderbeine ein. Das Publikum springt in die Höhe, Mützen, Hüte und weiße Tücher werden geschwenkt, doch das Tier findet auf seine Beine zurück. Der kleine Matador muss seinen Triumphmarsch unterbrechen und warten, bis es erneut zusammenbricht, dann schnellt er zu ihm hin, fasst den Griff zwischen den Schulterblättern, um die Klinge noch einmal zu drehen. Ein letztes Zittern durchläuft das Tier, bevor es auf die Seite fällt. Steif in die Luft ragende Beine bezeugen seinen Tod.
Unter den heiteren Klängen der Blaskapelle kommen die »Knechte« mit angeschirrten Pferden in die Arena geeilt. Auch die Reiter mit den wippenden Federhüten sind wieder da, sie salutieren vor einem Mann auf einer Empore, der eine Art Schiedsrichter sein muss, denn dieser gibt ihnen ein Zeichen, und schon hat einer der Toreros dem Stier ein Ohr abgeschnitten, das der Federhut dem siegreichen Töter überreicht. Das Publikum rast, doch etwas scheint ihm gleichzeitig zu missfallen, denn es bewirft den kleinen Matador mit Jacketts, die von den anderen Toreros sogleich in die Reihen zurückgeworfen werden. Den kleinen Matador selbst stört dies nicht, stolz wickelt er sich eine mexikanische Fahne um den Hals, deren Rot sich mit jenem Rot beißt, in das sein Anzug nun gefärbt ist, und reckt das erbeutete Ohr in die Höhe.
Niemand außer dem rothaarigen Püppchen interessiert sich noch für den Stier, der von den »Knechten« jetzt an der Deichsel des Pferdegespanns befestigt und schnell aus der Arena gezogen wird. (Sehen Sie die weißen, eckigen Punkte außerhalb des Ovals? Das sind die Kastenwägen der Metzger.)
Wenn Sie eine gute Nase haben, können Sie es vielleicht riechen: diesen süßlich-fauligen Geruch, der aus der aufgeheizten Arena steigt. Im Wesentlichen riecht Stierblut nicht anders als Menschenblut. Bei den meisten Leuten löst dieser Geruch etwas aus. Doch nur das Jeansjackenpüppchen - das seine Jacke nicht in die Arena geworfen, sondern anbehalten hatte - bringt er dazu, sich nach den Mädchen umzuschauen, die überall in bunten Kleidern sitzen und mit einem Mal aufregender zu sein scheinen als der zweite Stier, der in die Arena prescht.
Das rothaarige Püppchen quetscht in seiner Hand die leere Oranginadose zusammen.
Der zweite Stier, ein braunes Tier, hat wenig Lust zu kämpfen. Kaum hat er
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