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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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schließlich hatte ich erlebt, wie Du erst den Hund und später Alessia und Gabriella erschossen hast. Ich glaube, es lag daran, dass ich den Punkt überschritten hatte, an dem mich eine Frage wie »Massaker verschulden oder verhindern?« noch interessierte. Auf der langen Reise von Köln-Marienburg bis Lourdes-Heiligtum hatte die Welt ihr Antlitz verändert, nicht so dramatisch, dass der Himmel plötzlich grün und die Flüsse rot gewesen wären - wobei die Landschaft durch eine Dauersonnenbrille betrachtet, tatsächlich anfängt, ihre Farben zu ändern. Am ehesten lässt sich das Gefühl so beschreiben, dass der Welt die Wirklichkeit abhandengekommen war. Alles war plötzlich möglich, weil nichts mehr bedeutete, was es in der früheren Welt bedeutet hatte. Die neue Welt gehorchte ihren eigenen Gesetzen und nahm keine Rücksicht auf diejenigen, die sich in ihr bewegten, so wie es dem Weltraum gleichgültig ist, dass er Schwerkraftwesen zum Schweben zwingt. Dieses Gefühl - an dem ich zum ersten Mal geschnuppert hatte, als Du mich im Porsche gefragt hattest, was ich sagen würde, würdest Du sagen, dass Du ein Vergewaltiger und Serienmörder seiest - dieses Gefühl überwältigte mich, als ich Hermana Lucía auf die Toiletten folgte.)))
    In der Sekunde, in der ich mich in der Kabine neben ihr einschloss und an der Wand den gelben Container entdeckte, der für den Spritzenmüll angebracht worden war, den die Lourdes-Siechen bei aller Wundergläubigkeit scheinbar dennoch hinterließen, wurde mir klar, was ich zu tun hatte: Ich begann zu weinen. Zwischen den einzelnen Schluchzern legte ich Pausen ein, um zu hören, was sich in der Nachbarzelle tat. Wenn ich mich bückte, konnte ich einen weißen, krankenschwestermäßigen Schuh mit Kreppsohle sehen, den ich auf Anhieb mochte, weil klar war, dass die Nonne ihn nicht trug, weil er »hip« war. Erst hörte ich es plätschern, dann wurde es still, und plötzlich sprach mich eine freundliche Stimme durch die dünne Wand hindurch auf Spanisch an. Ich vermute, dass sie etwas in der Art von »Brauchen Sie Hilfe?« gefragt hat. Jedenfalls schluchzte ich heftiger, woraufhin mich die Stimme fragte: » Parlez-vous français? « - was ich unter Tränen bejahte. Ich ließ Hermana Lucía ein wenig Zeit, ihre weiße Robe zu richten und die Spülung zu betätigen. Nachdem sie dreimal von außen gegen meine Zellentür geklopft hatte, ließ ich sie herein. Einen Moment war ich verblüfft, wie jung sie war, sie konnte höchstens Mitte zwanzig sein, kein Alter für eine Nonne. Dann erzählte ich ihr auf Französisch meine ganze traurige Geschichte: Wie ich meinen Vater, dessen linkes Knie so kaputt sei, dass er keine zehn Schritte mehr gehen könne, überredet hätte, mit mir eine Reise in die Pyrenäen zu unternehmen, und dass mein Vater, der leider schon vor vielen Jahren vom katholischen Glauben abgefallen sei, jetzt aber auf dem Parkplatz im Auto sitze, sich trotzig weigere, das Heiligtum zu betreten und mir auch noch Vorwürfe mache, dass ich ihn hinters Licht geführt hätte. Dabei wolle ich doch nur sein Bestes und hätte so hart darum gekämpft, für ihn einen Termin im Bad zu bekommen, und Hermana Lucía wisse ja selbst, wie schwierig es sei, überhaupt einen Bädertermin zu ergattern, und wenn es mir nicht in den nächsten dreißig Minuten gelänge, meinen Vater zu überzeugen, würde der Termin verstreichen, und wir hätten die ganze weite Reise aus Köln hierher umsonst gemacht.
    Offensichtlich hatte ich den richtigen Ton und die richtige Geschichte getroffen. Hermana Lucía zögerte keine Sekunde, mich zum Parkplatz zu begleiten, um mit meinem »Vater« zu sprechen.
     
     
    Mein lieber David, ich finde wirklich, Du hättest mich für diesen brillanten Einfall ein wenig mehr loben können - anstatt mich zu warnen, dass ich nie wieder Witze über Dein Knie machen solle... Mist, jetzt klingelt mein Handy.

Lieber David!
    Du glaubst nicht, wer mich angerufen hat: mein Vater! (Wie war das mit der Macht, die alle Fäden in der Hand hält und nach Belieben verknüpft...?) Er ist doch nicht nach Indien geflogen. Stattdessen hat er mir angeboten, sich morgen früh ins Auto zu setzen und nach Berlin zu fahren, um Silvester gemeinsam mit mir zu verbringen... Das neue Jahr mit meinem Vater beginnen. Das hätte gerade noch gefehlt... Obwohl wir höchstens fünf Minuten miteinander telefoniert haben, hat er es schon wieder fertiggebracht, mich zum Ausrasten zu bringen.
    Was soll man von

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