Maenner fuers Leben
er.
«Wenn du es möchtest», sage ich vorsichtig.
Leo zuckt die Achseln und spricht dann in knappen, sachlichen Sätzen. «Ich habe ihr gesagt, dass ich dich wiedergesehen habe. Sie hat überreagiert. Ich habe ihr gesagt, es sei nicht so. Du seist verheiratet. Was denn dann zwischen dir und mir sei, wollte sie wissen. Ich habe gesagt, gar nichts, aber sie hat mir vorgeworfen, ich hätte immer noch Gefühle für dich.» Er schaut zu mir herüber, und ich blicke hinunter zu seinem Kinn und dann wieder hinauf zu seinen Lippen.
«Und?», sage ich.
«Und.» Leo zuckt wieder die Achseln. «Ich konnte ihr nicht das sagen, was sie hören wollte. Da ist sie gegangen.»
Ich stelle mir dieses harte, knappe Gespräch vor, und ich habe Mitleid mit einer Frau, der ich nie begegnet bin. «Du hast sie einfach … gehen lassen?» Ich bewundere seine Ehrlichkeit – die auch ziemlich grausam ist. Sie ist eine seiner besten – und schlechtesten – Eigenschaften.
Leo nickt langsam. Dann stellt er seine Kaffeetasse auf den Tisch, dreht sich zu mir herum und sagt: «Ja. Schön. Das Problem ist … sie hatte recht. Ich habe Gefühle für dich, Ellie.»
Ich schlucke angestrengt, und mein Herz schlägt mir bis zum Hals, bis in die Ohren, ja, es liegt auf dem Tisch. Seine Worte hallen in meinem Kopf wider, und obwohl ich die Antwort kenne, frage ich: «Was für Gefühle?»
«Gefühle, die ich schon vor langer Zeit hätte sortieren sollen.» Er schaut mir kurz in die Augen und starrt dann ins Zimmer. «Gefühle, die wieder hochgekommen sind, als ich dich wiedergesehen habe … Gefühle, die ich für eine … eine verheiratete Frau nicht haben sollte.»
Da ist es schon wieder. Verheiratet .
Ich öffne den Mund, aber ich finde keine Worte. Zumindest keine, die ich laut aussprechen kann.
«So», sagt Leo und lässt mich vom Haken. Er reibt sich die Hände und atmet tief durch, bevor er einen dieser tiefgründigen und doch nichtssagenden Sätze ablässt, die er so gern hat. «Es ist, wie es ist.»
Ich nicke unverbindlich.
«Was will man da machen, hm?», fragt Leo.
Eine rhetorische Frage, aber vorsichtig beantworte ich sie trotzdem. «Ich weiß es nicht», sage ich kopfschüttelnd.
Leo sieht mich mit hochgezogenen Brauen an, als verstehe er genau, wie es mir geht, als wisse er genau , was ich sagen will – und dass wir, wenn auch sonst nichts ist, zumindest zusammen in dieser Sache stecken.
Dreiunddreißig
Eine Stunde später – nach einer ungefährlichen Unterhaltung und zwei Tassen Kaffee – sitzen Leo und ich in einem buchstäblich leeren Zug der U-Bahnlinie N und sind unterwegs zur Südspitze von Brooklyn. Wir tun so, als gehe es jetzt nur um die Arbeit, aber die Stimmung zwischen uns wird immer aufgeladener, je länger wir nicht darüber reden.
Ich zähle auf dem U-Bahnplan die Stationen bis Stillwell Avenue und schätze, dass wir noch mindestens eine halbe Stunde Fahrt vor uns haben. Leo bückt sich und knotet die Schnürsenkel seiner schwarzen Tennisschuhe zu. Als er sich wieder aufrichtet, sieht er mich ungläubig an. «Wirklich? Du warst noch nie im Leben auf Coney Island?»
Ich schüttele den Kopf. «Nein … Aber ich habe das Gefühl, ich war schon da. Vermutlich, weil ich es aus Filmen und von Fotos kenne.»
Leo nickt. «So geht es mir mit vielen Orten.»
«Zum Beispiel?» Ich will immer wissen, was Leo denkt und fühlt – ganz gleich, wie trivial es ist und wie wenig es mit uns zu tun hat.
«Zum Beispiel … Stonehenge», sagt er. «Wer muss da noch hin, wenn er ein paar Fotos gesehen hat? Dicke Steine auf einem freien Feld. Ich weiß doch genau, wie’s da aussieht.»
Ich lache über dieses Zufallsbeispiel. «Erzähl mir von deinem Artikel. Hast du ihn schon geschrieben?»
«Ja, größtenteils. Muss noch ein bisschen poliert werden.»
«Worum geht es genau?»
«Na ja … man könnte wohl sagen, um den Konflikt zwischen dem alten und dem neuen Coney Island. Um die unausweichlichen Veränderungen am Horizont.»
Ich sehe ihn fragend an, und mir wird klar, dass ich für eine, die versucht hat, der ganzen Welt und sich selbst einzureden, dass es bei diesem Trip um Arbeit geht, herzlich wenig über das Stück weiß, für das ich die Fotos liefern soll. Oder übrigens über Coney Island.
«Was für Veränderungen?», frage ich.
Leo zieht den Reißverschluss an seiner Kuriertasche auf, holt einen Flyer von Coney Island heraus und zeigt mir eine Luftaufnahme des Strandes. «Kurz gesagt, eine große
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