Maenner fuers Leben
Zugang. Es macht mir Spaß, mit jemandem einen entspannten Nachmittag zu verbringen, ihn bei einem Lunch oder einem Kaffee kennenzulernen und mich dann an die Arbeit zu machen. Mir gefällt das Trial-and-Error-Verfahren, das Ausprobieren verschiedener Positionen und Beleuchtungen, bis endlich alles stimmt. Nichts befriedigt mich so sehr wie das Erlebnis, das eine, das perfekte Bild gemacht zu haben – meine Interpretation einer anderen Seele. Und mir gefällt die Abwechslung. Einen Unternehmer für die Business Week zu fotografieren, ist etwas ganz anderes, als Bilder für die Style-Beilage der New York Times oder eine Hochglanz-Fotostrecke für Town & Country zu machen, und die Menschen, die ich fotografiere, sind genauso unterschiedlich wie die Publikationen. Allein in den letzten paar Wochen habe ich einen Bestseller-Autor, die Besetzung eines Art-House-Films, einen College-Basketball-Star und seinen legendären Coach und einen vielversprechenden neuen Patissier fotografiert.
Kurz gesagt, ich habe einen sehr weiten Weg hinter mir, seit ich in der Second Avenue Filme entwickelt habe. Abgesehen davon, dass die Begegnung mit Leo überhaupt stattgefunden hat, bedaure ich auch, dass ich keine Gelegenheit hatte, ihm von meinem beruflichen Erfolg zu erzählen. Natürlich ist es mir lieber, dass er über Andy Bescheid weiß. Aber ideal wäre es, wenn er beides wüsste. Andererseits, vielleicht weiß er mehr, als er zugegeben hat. Vielleicht hat er sich gerade deshalb nicht nach meiner Karriere erkundigt, weil er meine Website gesehen hat oder irgendwo über eins meiner besseren Fotos gestolpert ist. Schließlich habe auch ich schon die Zeitungen nach seinem Autorenkürzel abgesucht und seine Artikel mit einer bizarren Mischung aus Gleichgültigkeit und Interesse, Stolz und Verachtung gelesen. Das ist Neugier – und wer behauptet, es sei ihm völlig gleichgültig, was sein Ex mache, der ist meiner Meinung nach entweder ein Lügner, oder ihm fehlt ein gewisses Maß an emotionaler Tiefe. Ich sage nicht, es sei gesund, sich obsessiv mit der Vergangenheit zu beschäftigen und ständig Details seiner Verflossenen zu googeln. Aber es entspricht einfach der menschlichen Natur, gelegentlich ein flüchtiges Interesse an dem zu zeigen, den man einmal geliebt hat.
Wenn ich also annehme, dass Leo tatsächlich auf meine Website oder eins meiner Fotos gestoßen ist, dann hoffe ich, er schließt daraus, dass unsere Trennung wie ein Katalysator in meinem Leben gewirkt hat – und dass alles Gute erst nach dem Ende unserer Beziehung begonnen hat. Das stimmt gewiss zu Teilen auch, auch wenn man niemand anderem die Schuld für den eigenen Mangel an Ehrgeiz geben darf.
Bis heute denke ich beschämt daran zurück, wie genügsam ich in Bezug auf meine Karriere wurde, als ich mit Leo zusammen war. Meine Liebe zur Fotografie verschwand nie vollständig, aber sie verlor doch ihre Dringlichkeit, wie auch alles andere in meinem Leben neben unserer Beziehung zweitrangig wurde. Leo war alles, was ich denken konnte, alles, was ich tun wollte. Er füllte mich so vollständig aus, dass ich einfach keine Energie zum Fotografieren mehr hatte. Ich hatte weder Zeit noch Motivation, über den nächsten Schritt auf der Karriereleiter auch nur nachzudenken. Ich weiß noch, wie ich täglich mit dem Bus ins Labor fuhr, nachdem ich längst alles gelernt hatte, was ich von Quynh lernen konnte, und wie ich mir sagte: «Ich brauche mir keinen neuen Job zu suchen. Geld ist nicht wichtig. Ich bin auch mit einem einfachen Leben glücklich.»
Nach der Arbeit fuhr ich geradewegs zu Leos neuer Wohnung; er war wieder nach Queens gezogen, und ich stand ihm jederzeit zur Verfügung und kehrte in mein eigenes Apartment nur zurück, wenn er etwas anderes vorhatte oder wenn ich frische Kleider brauchte. An den seltenen Abenden, die wir nicht zusammen verbrachten, ging ich manchmal mit Margot und unseren Freunden aus, aber lieber blieb ich zu Hause und träumte von Leo, plante unser nächstes gemeinsames Abenteuer und stellte Kassetten mit Songs zusammen, die cool, intelligent und seelenvoll genug für meinen coolen, intelligenten und seelenvollen Liebsten waren. Ich wollte Leo so gern gefallen, ihn beeindrucken und dafür sorgen, dass er mich ebenso sehr brauchte und liebte wie ich ihn.
Anfangs schien es zu funktionieren. Leo war genauso verschossen wie ich, nur auf die männliche, weniger sentimentale Art. Er gab seine Arbeit nie völlig auf, wie ich es tat, aber er war
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