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Maenner in Freilandhaltung

Maenner in Freilandhaltung

Titel: Maenner in Freilandhaltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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herrlich frühstücken ließ. Am meisten hatten es mir jedoch die von dunklen Fachwerkbalken getragenen Dachschrägen angetan, die die Wohnung sogar kahl und leer, wie sie derzeit war, wie ein behagliches Nest aussehen ließen.
    Aber Dachschrägen hin oder her, in meinem Oberstübchen war offenbar auch einiges in Schräglage geraten! Sonst hätte ich es nicht mal den Bruchteil einer Sekunde in Erwägung gezogen, hier einzuziehen.
    »Ich habe einen Job in Düsseldorf. Und eine Wohnung übrigens auch. Schon vergessen?«, sagte ich nachdrücklich. Wobei ich mir selbst nicht so sicher war, ob die Worte mehr an Jette oder an mich selbst gerichtet waren. »Außerdem wartet dort Simon auf mich«, setzte ich noch hinzu. »Ich kann wirklich nicht.«
    Obwohl ich Jette klar signalisiert hatte, dass es für mich nicht infrage kam, ins Sauerland umzusiedeln, ließ mich der Gedanke den ganzen Tag über nicht mehr los. Total plemplem. Zugegeben, Steuerberaterin war nicht gerade mein Traumberuf, aber deshalb konnte ich doch nicht alles, was ich mir in den vergangenen Jahren aufgebaut hatte, einfach so hinschmeißen. Für eine total verrückte Idee! Wer nichts wird, wird Wirt, dachte ich ironisch. Andererseits würde mir mein betriebswirtschaftliches Know-how bei der Führung eines Restaurants sicherlich sehr zugutekommen. Außerdem hatte ich das Dorfleben lieben gelernt, und ich mochte den Kontakt zu Menschen ...
    Wie ein Hamster im Laufrad drehten sich meine Gedanken unaufhörlich im Kreis. Ausnahmsweise konnte ich mal in aller Ruhe vor mich hin grübeln, denn Daniel half einem Nachbarn beim Fällen eines Baumes, Lukas und Finn waren auf einem Kindergeburtstag eingeladen, und auch von Christopher hatte ich schon eine ganze Weile nichts mehr gesehen und gehört. Er war mit ein paar Freunden zum Fußballspielen nach draußen verschwunden.
    Irgendwann riss ich mich zusammen. Anstatt sinnlos zu brüten, wollte ich mal lieber nach den emsigen Fußballern sehen. Sicher waren sie durstig. Ich stellte Gläser und eine Flasche Mineralwasser auf ein Tablett, füllte ein paar Kekse zur Stärkung in eine Schüssel und machte mich auf den Weg in den Garten. Dort war es erstaunlich ruhig. Anstatt hinter dem Ball herzulaufen, auf den Rasen zu spucken, sich unflätig zu beschimpfen und sich gegenseitig vors Schienbein zu treten, hatte die Mannschaft ordentlich in Reih und Glied vor dem Holzzaun Aufstellung genommen. Eine Freistoßmauer? Ob die Jungs die Hände zum Schutz in den Schritt gelegt hatten, konnte ich nicht erkennen, denn merkwürdigerweise standen sie nicht mit dem Rücken zum Zaun, sondern dem Nachbargrundstück zugewandt. Auch vom Ball fehlte jede Spur. Irgendwie kam mir das ein wenig spanisch vor ...
    Als ich gerade rufen wollte, dass ich eine kleine Erfrischung hätte, kam plötzlich Bewegung in die Truppe. Auf Christophers Zeichen wurde eine Position weitergerückt, und der Junge, der nun Christopher am nächsten stand, drückte sich an einem Astloch im Holzzaun zum Nachbargrundstück die Nase platt. Verdammt, was trieben die Burschen da?
    Unbemerkt näherte ich mich dem Grüppchen. Beim nächsten Positionswechsel, der erstaunlich geordnet und diszipliniert vonstattenging, sah ich, wie Christopher von dem Jungen, der bis eben noch vor einem kleinen Schlitz in der Holzwand gekauert hatte, ein Geldstück entgegennahm und es mit einem zufriedenen Grinsen in seiner Hosentasche verschwinden ließ.
    Endlich fiel auch bei mir der Groschen. Noch mehr als für das runde Leder schienen sich die Jungs für andere Bälle zu interessieren ... Wenn mich nicht alles täuschte, hatte Christopher das frühpubertäre Interesse seiner Freunde ausgenutzt, um damit Kasse zu machen, und den Garten kurzerhand in ein Peepshow-Etablissement verwandelt.
    Mit einem ärgerlichen »Darf ich mal?« tippte ich Julius, der gerade vor dem Astloch stand, von hinten auf die Schulter.
    »Warte gefälligst, bis du dran bist«, zischte der Nachbarsjunge, ohne sich umzudrehen.
    Die Freistoßmauer – bloß gut, dass keiner der Jungs die Hand im Schritt gehabt hatte! – begann sich aufzulösen. Ein aufgeregtes Tuscheln und Raunen ging durch den Garten. Endlich bemerkte wohl auch Julius, dass irgendwas nicht stimmte, und wandte sich um.
    »Oh, Sie sind’s«, stammelte er und wurde rot wie ein Feuermelder.
    »Keine Sorge, das war gratis.«
    Als ich durch das Astloch lugte, sog ich scharf die Luft ein. Wie ich bereits vermutet hatte, nahm Vicky auf der anderen Seite des

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