Maenner in Freilandhaltung
die Röte in Rebeccas Gesicht schoss. Bestimmt würde sie gleich loszetern. Doch statt des gefürchteten Donnerwetters begann sie zu schwärmen.
»Oh, die Inszenierung war toll, ganz zu schweigen vom tollen Bühnenbild, und die Schauspieler, na ja, ich denke, die Schauspieler waren auch toll, ich hab da nicht so viel Ahnung.«
Dreimal toll in einem Satz – das war mehr als nur eine unschöne Wiederholung. Das war ein kleines Wunder. Plötzlich kam mir ein Gedanke, der so ungeheuerlich war, dass sogar ich selbst ihn für völlig abwegig hielt. Deshalb formulierte ich meine Frage betont harmlos.
»Hat es Rudi denn auch gefallen?«
»Äh ... das hoffe ich doch.«
Rebecca kicherte wie ein Schulmädchen und drehte verlegen eine lange Haarsträhne um den Finger. War das womöglich das Geheimnis ihrer Lockenpracht? Ich nahm mir vor, diese Technik bei Gelegenheit auszuprobieren.
»Wir ... also Rudi und ich ... haben uns wirklich gut amüsiert.«
Gut amüsiert? Macbeth war nicht gerade eine Komödie, bei der ein Schenkelklopfer den nächsten jagte. Ergo musste etwas anderes die beiden in fröhliche Stimmung versetzt haben. Rebeccas verklärter Gesichtsausdruck und das Leuchten in ihren Augen bestätigten meinen Verdacht. Rebecca und Rudi – wer hätte das gedacht?! Ich überlegte, ob ich Rebecca noch weiter ausquetschen sollte, gab mich jedoch fürs Erste mit ihren vagen Andeutungen zufrieden. Rudi hingegen war mir eine detailgenaue Schilderung des Abends schuldig. Schließlich hatte ich ihm zu diesem schicksalhaften Date verholfen. Ein Umstand, den ich gebührend ausschlachten würde.
Nachdem Christopher aus der Schule zurück war und seine Hausaufgaben erledigt hatte, gingen wir einkaufen. Ich war bestens gelaunt, was die Kinder sogleich zu ihren Gunsten ausnutzten und mir, ohne sich besonders ins Zeug legen zu müssen, eine Tüte Gummibärchen abschwatzten. Schließlich gab es einen Grund zum Feiern: eine Nervensäge weniger, die um ihren Vater herumscharwenzelte! Vielleicht sollte ich Hannah auch einfach verkuppeln, dachte ich aufgekratzt.
Nach den Gummibärchen packte ich eine große Packung von Ernies Lieblingshundekuchen in den Einkaufswagen. Weniger um ihn für sein gutes Verhalten zu belohnen, als um ihn gefügig zu machen. Denn derzeit traten wir bei seiner Erziehung auf der Stelle. Ja, schlimmer noch: Eigentlich machten wir zwei Schritte vor und drei zurück. Dinge, die Ernie bereits mühelos beherrscht hatte, schien er mit einem Mal wieder vergessen zu haben, das ging schnell bei Welpen. Ich hätte dringend ein wenig fachkundige Unterstützung brauchen können. Doch einen neuen Hundetrainer für Ernie zu finden, erwies sich als echtes Problem. Und als Fall für das Kartellamt. Offenbar hatte Jan in der Gegend ein Monopol. Jeder, den ich nach einer Hundeschule fragte, verwies mich an Jan. Und jeder Zweite ließ es sich nicht nehmen, dabei eine Lobeshymne auf ihn anzustimmen. Der Mann wurde als wahrer Hundeflüsterer gehandelt. Kaum zu glauben, dass Jan für die Vierbeiner solch ein sensibles Gespür hatte – im Umgang mit Menschen schien er ein grober, unsensibler Holzklotz zu sein!
Ich versuchte, mich auf meine Einkäufe zu konzentrieren. Ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen mit drei Kindern im Schlepptau. Während Finn es sich brav im Einkaufswagen gemütlich gemacht hatte und vor sich hinträumte, spielten Lukas und Christopher zwischen den Regalen Fangen.
»Jungs, das geht nicht«, nahm ich mir die zwei zur Brust, als es mir endlich gelungen war, ihnen mit List und Tücke den Weg abzuschneiden.
»Doch, Lulu, das geht sehr gut. Die Regale stören zwar ein bisschen ...«
»Schluss jetzt!«
Wir einigten uns schließlich auf einen Kompromiss. Statt Fangen erlaubte ich den Kindern, Verstecken zu spielen – in der Hoffnung, Lukas später nicht unter den Tiefkühlerbsen hervorbuddeln zu müssen.
Der Supermarkt war zu dieser Tageszeit gut besucht, und wir trafen etliche Bekannte. Als ich gerade eine Packung Müsli in den Einkaufswagen legte – 58 Prozent Vollkorn, die übrigen 42 Prozent würden, dem lauten Gerappel beim Schütteln nach zu urteilen, wohl Luft sein – und wieder aufsah, fuhr mir der Schreck in die Glieder. Noch ein bekanntes Gesicht ...
Jan war nicht allein, sondern in Begleitung. In weiblicher Begleitung! Und die erinnerte mich dank ihres hellen, makellosen Teints und der langen dunklen Haare irgendwie ein bisschen an Schneewittchen. Ich suchte nach Ähnlichkeiten zwischen Jan
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