Maenner in Freilandhaltung
Familienleben der fünf in den leuchtendsten Farben und scheute dabei vor Klischees nicht zurück. Wieso auch? Der Großteil meiner Schilderung beruhte auf Erzählungen der Kinder. Hier und da schmückte ich sie jedoch ein wenig aus oder klaute bei den einschlägigen Vorzeigefamilien aus dem Werbefernsehen.
Susanne war viel zu höflich, um mich zu unterbrechen. Sie ließ meine Heile-Welt-Geschichtchen geduldig über sich ergehen. Als die Jungs sich an dem Bürokram auf Daniels Schreibtisch zu schaffen machten, blieb mir jedoch nichts anderes übrig, als meine Erzählung abrupt zu beenden. Während ich Finn die Tesafilmrolle wegnahm, versuchte Susanne, seinem Zwillingsbruder mit sanfter Gewalt den Tacker zu entwinden. Worauf Lukas bedauerlicherweise nicht nur mit Protest reagierte. Als er Susanne in die Hand biss, schrie diese erschrocken auf.
Oh nein, nicht schon wieder! Kerstin hätte gewusst, was zu tun ist, hallten Rebeccas Worte wie Peitschenhiebe in meinen Ohren wieder. Eigentlich hatte ich gehofft, dass sich der »Vorfall« aus dem Kindergarten nicht wiederholen würde, aber dem war offenbar nicht so. Nachdem ich kräftig mit dem Übeltäter geschimpft hatte, zeigte er Reue und entschuldigte sich zerknirscht bei Susanne. In der Zwischenzeit machte ich ein wenig Ordnung und hob ein paar Briefe vom Boden auf, die die Jungs in einem unbeobachteten Moment aus Daniels Unterschriftenmappe gefischt und zu Papierfliegern gefaltet hatten.
Arme Susanne, sie würde die Dokumente wohl noch mal ausdrucken müssen. Aber auch das trug sie mit Fassung. Daniels Sekretärin war einfach unglaublich. Entweder sie nahm Drogen, oder sie hatte von Natur aus ein sonniges Gemüt.
»Ah, die Briefe sollten per Luftpost verschickt werden«, lachte sie. »Echt kreativ, die Jungs.«
Ja, kreativ waren die drei, gar keine Frage. Was mich wieder an den eigentlichen Grund meines Besuchs erinnerte.
»Schön haben Sie es hier«, sagte ich zu Daniels Sekretärin, während ich ein paar verirrte Kekskrümel von der ansonsten blitzblanken Schreibtischplatte wischte. »Allerdings wirkt alles ein wenig steril, finden Sie nicht?«
Susanne sah sich um, als würde sie den Raum zum ersten Mal sehen. »Nun ja, ein bisschen Farbe hier und da ...«
»Wie es der Zufall will, habe ich etwas dabei, um das Büro ein bisschen wohnlicher zu gestalten«, unterbrach ich die verdutzte Susanne und zog einen Schwung Kinderzeichnungen aus meiner großen Umhängetasche. »Welches Bild gefällt Ihnen besser?« Ich präsentierte Daniels rechter Hand zwei der Kunstwerke zur Auswahl. »Das hier soll Batman mit einem Laserschwert darstellen und das hier«, ich kniff die Augen zusammen und versuchte mich zu erinnern, was Finn laut eigenen Angaben auf diesem Blatt gemalt hatte, »das hier sind Aliens ohne Köpfe. Das herumspritzende Blut ist möglicherweise nicht jedermanns Sache, aber bei Kunst scheiden sich ja bekanntlich sowieso die Geister. Also, welches gefällt Ihnen besser?«
»Äh ... ich weiß nicht so recht«, stotterte Susanne völlig überrumpelt. Unschlüssig, wo bei dem Bild oben und wo unten war, drehte sie die sehr expressionistisch wirkende Malerei in den Händen.
»Sehen Sie, dann geht es Ihnen wie mir. Ich kann mich auch nicht entscheiden. Also nehmen wir am besten beide.«
Ich zog aus der Tasche eine Packung Tesa Powerstrips hervor und begann, die Bilder mit den Klebestreifen an der Wand zu befestigen. Und da die Zeichnungen inmitten von so viel Chrom und Glas ein wenig verloren wirkten, hängte ich drei weitere Kunstwerke auf. Jetzt noch ein Foto von Nina und den Kindern auf den Schreibtisch und jeder, der das Büro betrat, wusste sofort, dass er es mit einem glücklichen Familienvater zu tun hatte.
Als Daniel von seiner Besprechung zurückkam, erkannte er sein Büro kaum wieder. »Das ist ja ...«
»... klasse!«, beendete Lukas seinen Satz mit einem treuherzigen Augenaufschlag. »Oder, Papa?«
Daniel nickte tapfer. Seine Augen blieben wie Saugnäpfe an dem Bild mit den kopflosen Aliens hängen. Schönheit liegt im Auge des Betrachters, hatte ich mal irgendwo gelesen, allerdings lag in Daniels Augen noch etwas anderes. War es Grauen?
Auf jeden Fall war der Bürobesuch, soweit ich es beurteilen konnte, ein voller Erfolg. Nachdem die Kinder die Kantine aufgemischt, alle Mitarbeiter vertrieben und das versprochene Eis geschleckt hatten, war es Zeit zum Aufbruch.
»Hat es euch bei eurem Papa gefallen?«, fragte ich die Jungs, als wir uns von
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