Maenner in Freilandhaltung
die Turnhalle betrat, versöhnte mich ein bisschen mit den dämlichen Fröschen. Mit mir hatte sie offenbar nicht gerechnet. Ich mit ihr allerdings auch nicht. Wenigstens hatte Daniel mich nicht angeschwindelt, als er neulich behauptet hatte, beim Sport gewesen zu sein. Wenn Hannah auch regelmäßig herkam, hatte die Sommerfestplanung vermutlich im Anschluss an das Badmintontraining stattgefunden.
Außer Hannah entdeckte ich noch einige andere vertraute Gesichter. Bärbel, die Bäckereiverkäuferin, hielt gerade mit Rudi, unserem Postboten, vor dem Geräteraum ein kleines Schwätzchen. Vielleicht würde ich mir Rudi in einer ruhigen Minute mal zur Seite nehmen und ihn bitten, am nächsten Tag, wenn er die Post austrug, »aus Versehen« über die Frösche vor unserer Haustür zu stolpern. Auch Martin, der Kioskbesitzer, und seine Frau waren mit von der Partie sowie Gaby und diverse andere Leutchen, die ich vom Sehen kannte. Das halbe Dorf schien vertreten zu sein. Offenbar erfreute sich Badminton in Hasslingdorf großer Beliebtheit. Aber vielleicht wurde man hier auf dem Land ja auch zwangsrekrutiert. Wer nicht im Kirchenchor singen wollte, musste zum Badminton. Anders konnte ich mir die rege Beteiligung nicht erklären.
»Schön, dich zu sehen!«, rief Daniel in diesem Moment einem Neuankömmling zu und winkte erfreut. »Du hast dich aber in letzter Zeit verdammt rargemacht, Jan.«
Jan?!? Selbst in einem Kuhdorf wie Hasslingdorf lag es durchaus im Bereich des Möglichen, dass ein Vorname mehr als einmal vertreten war. Allerdings glaubte ich im Zweifelsfall mehr an Murphys Gesetz als an Wahrscheinlichkeitsrechnung. Mit klopfendem Herzen drehte ich mich um. Tatsächlich! Er war es! Verwechslung ausgeschlossen. In kurzen Shorts und einem dunkelblauen Nike-T-Shirt, das fast die gleiche Farbe wie seine Augen hatte, kam er geradewegs auf uns zu. Ihn hatte ich nun wirklich am allerwenigsten hier erwartet.
»Hallo zusammen.«
Auch wenn ich nicht »zusammen« hieß, kam es mir so vor, als würde Jan nur mich anschauen. Seit Frau Engel seinen Annäherungsversuch vereitelt hatte, waren wir uns noch nicht wieder allein begegnet. Ich war froh, dass außer Daniel und Hannah noch etliche andere Badmintonspieler um uns herumstanden. Obwohl ich ihre Anwesenheit unter Jans intensivem Blick um ein Haar vergessen hätte ...
In diesem Moment betrat der Trainer die Halle, und es ging los. Schnell stellte sich heraus, dass ich über jede Menge »Ballgefühl« verfügte: eine Mischung aus Gleichgültigkeit und Antipathie. Mein größtes Problem bei den Schlägen war der Treffpunkt. Oder besser gesagt: der nicht vorhandene Treffpunkt. Ich schlug nämlich immer wieder an dem blöden Federhütchen vorbei. Neben mangelndem Talent lag das möglicherweise daran, dass ich nicht nur den Ball, sondern auch meinen Schwager im Auge behalten musste.
Während der Trainer sich alle Mühe gab, mich in die Geheimnisse der Rückhand einzuweihen – ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen, aber sein missionarischer Eifer war bewundernswert –, spielte Daniel mit Hannah ein Mixed. »Herrendoppel mit Damenbehinderung«, wie einer der anderen männlichen Spieler es süffisant grinsend nannte. Chauvi! Gerne hätte ich ihn dafür zurechtgewiesen, aber dummerweise war ich wohl kaum in der Position, eine dicke Lippe zu riskieren. Schließlich war ich der beste Beweis für seine Theorie.
Die Partie schien mächtig spannend zu sein, denn schon bald hatte sich eine kleine Traube Zuschauer am Rand des Spielfelds gebildet, die die Akteure lautstark anfeuerten. Als der Trainer sich endlich ein anderes Opfer suchte, gesellte ich mich zu den Schaulustigen. Wie ich widerstrebend zugeben musste, spielte Hannah nicht schlecht. Nur ihre Angaben waren ziemlich lausig. Ausgerechnet beim Satzball setzte sie ein schlappes Ei hinter die T-Linie. Eine echte Vorlage für den Gegner, der seine weibliche Behinderung unsanft zur Seite schubste und den Ball mit blitzenden Augen zurückschmetterte. Die Lage schien aussichtslos zu sein, doch Daniel schaffte es mit letzter Kraft hinzuhechten, erwischte den Ball mit der Schlägerspitze und lupfte ihn gerade noch so über die Netzkante. Mit einem leisen Plopp fiel er auf der gegnerischen Seite zu Boden. Während die Zuschauer johlten und applaudierten, flog Hannah Daniel freudestrahlend um den Hals und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Dann flüsterte sie ihm etwas ins Ohr. Daniels geschmeicheltem Gesichtsausdruck nach zu
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