Maenner in Freilandhaltung
dass der teure Stoff so wenig zur Geltung kommt«, schleimte ich. »Die Vorhänge würden viel mehr auffallen, wenn du sie hin und wieder zuziehen würdest. Abends beispielsweise ...«
Vicky zog überrascht ihre perfekt gezupften Augenbrauen in die Höhe. »Schön, dass du dir über unsere Inneneinrichtung Gedanken machst. Aber was schert es dich, wann ich meine Vorhänge schließe?«
»Die Sache ist die ...«, druckste ich verlegen herum, ohne den Satz zu beenden. »Was ich eigentlich sagen wollte ...« Meine Güte, wir lebten im 21. Jahrhundert! Heutzutage fiel es den Menschen doch leichter, über Sex als über Gefühle zu reden. Ich war offenbar die Ausnahme. Erst recht, wenn zwei monströse Brüste vor meinen Augen auf und ab tanzten. »Ab einem gewissen Alter ist das mit der Sexualität ja nicht mehr so ganz einfach.« Erleichtert atmete ich auf. Puh, jetzt war es raus!
Vor Überraschung wurden Vickys Augen kugelrund. »Du meinst, Daniel kriegt keinen mehr hoch?«
»Aaaaah!«
Bevor ich dazu kam, die Sache richtigzustellen, unterbrach ein markerschütternder Schrei unseren kleinen intimen Frauenplausch. An und für sich kein Anlass zur Besorgnis, denn einer der Jungs schrie eigentlich ständig. Aus Wut, aus Spaß, aus Trotz, aus Übermut ... Mittlerweile hatte ich Routine darin entwickelt, an der Stimmlage zu erkennen, ob es etwas Ernstes war. Und dieses Mal war es ernst. Ich sprang vom Tisch auf und rannte in meiner persönlichen Bestzeit hinaus in den Garten. Schon von Weitem sah ich, dass Finns Bein heftig blutete. Wie ich mir aus seinem zusammenhanglosen Gestammel zusammenreimte, war der kleine Unglücksrabe mit seinem Roller gestürzt und hatte sich dabei übel das Knie aufgeschlagen.
»Ich geh dann mal besser. Ich kann kein Blut sehen«, verabschiedete sich Vicky überstürzt.
Und so ließ ich sie in dem sicheren Gefühl ziehen, dass zwischen uns längst noch nicht alles geklärt war.
Kapitel 13
Als Erika und Friedhelm gegen Abend vor der Tür standen, um auf die Kinder aufzupassen, bereute ich es bereits, dass ich Daniel gebeten hatte, mich zum Badmintonspielen mitzunehmen. In meiner Begleitung würde er sich ohnehin nichts zuschulden kommen lassen. Ich war aber auch wirklich zu dämlich! Anstatt gemütlich auf dem Sofa abzuhängen und ein gutes Buch zu lesen, musste ich nun zur Strafe für meine Blödheit schwitzen. Während ich im Flur ärgerlich Ninas Turnschuhe in eine Tasche stopfte – zum Glück trugen wir die gleiche Größe –, sah ich aus dem Augenwinkel, dass Erika kommentarlos im Keller verschwand. Kurz darauf kehrte sie mit einer großen Kiste zurück. Ehe ich begriff, was vor sich ging, öffnete Erika den Deckel und holte ein Bataillon Tonfiguren heraus, die sie, ohne vorher zu fragen, ordentlich in Reih und Glied neben der Haustür arrangierte.
»Was ist das?«, fragte ich entgeistert.
»Frösche.«
»Ach was.«
Auch wenn ich nicht gerade ein Tierexperte war, erkannte ich auf Anhieb, dass es sich bei den grünen Figuren nicht um Dinosaurier handelte. Nach wie vor unklar war mir jedoch, was dieses Lurchzeugs hier zu suchen hatte.
»Putzig, nicht wahr?«
Wenn putzig in Erikas Sprachgebrauch ein Synonym für scheußlich war, musste ich ihr allerdings recht geben.
Verzückt betrachtete Erika die glupschäugigen Viecher, von denen jedes ein anderes Musikinstrument in der Hand hielt. »Kerstin hat die Frösche im Sommer immer vor die Haustür gestellt.«
»Soooo, hat sie das?!«
Kerstin musste eine wunderbare Frau gewesen sein – sonst hätte Daniel sie wohl kaum geheiratet. Nicht mit diesem grauenvollen Geschmack!
Was würde meine Schwester in dieser Situation tun?, fragte ich mich unwillkürlich. Mal ganz davon abgesehen, dass Nina sowie geschätzte 99 Prozent aller Menschen, die im Vollbesitz ihrer Sehkraft waren, diesen Kitsch garantiert schrecklich fanden, konnte Erika doch hier nicht einfach schalten und walten, wie es ihr beliebte. Vor Wut knirschte ich mit den Zähnen. Was in meinen Augen fast schon an Hausfriedensbruch grenzte, schien Daniel hingegen ganz normal zu finden. Damit mir nichts rausrutschte, was in einem Mordprozess gegen mich verwendet werden könnte, sagte ich gar nichts. Mir war sehr wohl bewusst, dass der Friede – obwohl Waffenstillstand es eigentlich besser traf – zwischen Erika und mir äußerst zerbrechlich war. Genau wie diese blöden Tonfrösche.
Da musste doch was zu machen sein ...
Hannahs fassungsloses Gesicht, als ich an Daniels Seite
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