Maenner in Freilandhaltung
tut man sich so was bloß freiwillig an? Hoffentlich ist der Knöchel nur verstaucht, denn so ein Bruch ist doch bestimmt eine langwierige Sache.«
»Ich glaube nicht, dass der Fuß gebrochen ist.« Jan startete den Motor und fuhr los. »Aber es ist nett von dir, dass du dir solche Sorgen machst.«
»Hannah ist schließlich unsere Nachbarin. Natürlich mache ich mir Sorgen.«
Sorgen, dass Hannah die Situation schamlos ausnutzen könnte! Neulich, bei ihrem geschickt eingefädelten Candle-Light-Dinner, hatte ich ihr in die Suppe gespuckt, aber nun hatte die blöde Ziege mich einfach kaltgestellt. Auch wenn es bestimmt lauschigere Plätzchen für ein Rendezvous gab als die Notaufnahme eines Krankenhauses – ein gewisses Restrisiko blieb. Während ich ärgerlich an dem Reißverschluss meiner Sporttasche herumfummelte, brachte Jan sein Auto vor einer roten Ampel zum Stehen. Vermutlich hatte Hasslingdorf die Ampelanlage aus Prestigegründen angeschafft, um vor den Nachbarorten zu protzen, oder vielleicht wurde sie beim Sommerfest als Lichtorgel benutzt. Viel Verkehr zu regeln gab es hier jedenfalls nicht. Schon gar nicht zu dieser Uhrzeit. Die Straßen waren wie ausgestorben.
»Wer passt eigentlich heute Abend auf Christopher, Lukas und Finn auf?«, wechselte Jan das Thema.
»Oma und Opa. Wenn ich gleich nach Hause komme, sitzen die Jungs wahrscheinlich mopsfidel in ihren Schlafanzügen vor dem Fernseher, während Erika und Friedhelm auf dem Sofa eingeschlafen sind.« Beim Gedanken an die drei Flöhe hellte sich meine Stimmung wieder auf. »Ich hoffe nur, es läuft heute Abend kein Horrorfilm.«
»Möchtest du eigentlich auch Kinder haben?«, fragte Jan wie aus heiterem Himmel. Als er meinen erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte, setzte er noch hinzu: »Also nicht jetzt, sondern irgendwann mal.«
»Bis ich hierhergekommen bin, war ich mir ziemlich sicher, dass ich keine Kinder haben will«, hörte ich mich selbst sagen. Eigentlich war das Thema viel zu persönlich, und bislang hatte ich nur mit Nina und Pia darüber gesprochen, aber irgendetwas an Jans Art veranlasste mich dazu weiterzusprechen. »Meine Mutter ist an Krebs gestorben, als ich gerade mal vierzehn war. Ich bin erblich vorbelastet. Und ich möchte es meinen Kindern ersparen, irgendwann ohne Mutter dazustehen.« Mit eiserner Willenskraft versuchte ich, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. »Der sicherste Weg, das zu verhindern, ist, erst gar keine Kinder zu bekommen«, setzte ich noch möglichst sachlich hinzu.
»Das mit deiner Mutter tut mir natürlich leid.« Die Ampel sprang auf Grün um, und Daniel gab behutsam Gas. »Aber wenn es danach ginge, dürfte niemand Kinder bekommen. Denk nur an Kerstin. Sie war kerngesund, als dieser Verrückte in ihr Auto gerast ist. Vielleicht bekomme ich morgen einen Herzinfarkt, oder mir fällt ein Flugzeug auf den Kopf. Wer weiß das schon? Im Leben ist nur eins sicher: das tödliche Ende.«
»Vom Verstand her weiß ich das alles«, sagte ich und starrte mit brennenden Augen aus dem Fenster. »Und seit ich so viel Zeit mit den Jungs verbringe, frage ich mich immer öfter, ob es das Risiko nicht wert ist.«
»Schön«, sagte Jan sanft. »Dann war dein Aufenthalt hier ja schon für zwei Dinge gut.«
Er ließ seine rechte Hand vom Lenkrad gleiten und legte sie behutsam auf mein Knie. Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Das mit dem Kinderkriegen war die eine, aber was war die zweite Sache, für die mein Sauerlandtrip gut sein sollte? Spielte Jan auf unser Kennenlernen an? Leider konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht richtig erkennen, denn er hatte die Augen geradeaus auf die Straße gerichtet.
»Weißt du, ich find’s toll, dass du deine Angst vor Hunden immer besser in den Griff bekommst«, sagte Jan in diesem Moment.
Vor Überraschung blieb mir fast der Mund offen stehen. Das also war die zweite Sache, die Jan gemeint hatte! Eigentlich hatte ich gedacht, dass es mir bislang ganz gut gelungen war, meine Furcht zu überspielen. Denn auch wenn Ernie es irgendwie geschafft hatte, sich in mein Herz zu schleichen – den meisten anderen Hunden traute ich nach wie vor nicht über den Weg.
»Wie kommst du darauf, dass ich Angst vor Hunden habe?«
»Fragst du das im Ernst? Ich hab heute noch blaue Flecken am Arm, so hast du dich bei unserer ersten Begegnung im Wald an mir festgekrallt. Außerdem bist du mir bei der Welpenspielstunde kaum von der Seite gewichen.« Jan zwinkerte mir zu. »Aber vielleicht
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