Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
nicht gedacht. Und sie ist glücklicherweise so clever gewesen, die ominöse Telefonnummer schon vor Tagen genau dort zu speichern.
Als Christa sich aufrichtet, stöhnt sie laut wegen der schmerzenden Hüfte, doch mit einem einzigen Griff hat sie ihr Handy vom Nachttisch genommen. Sie hält kurz inne, um ihr Vorgehen genau zu planen. Zunächst gilt es, die eigene Telefonnummer zu unterdrücken. Christa muss ein bisschen suchen, dann hat sie die entsprechende Einstellung gefunden und aktiviert. Auch die Nummer der Westerländer Kriminalpolizei ist schnell ermittelt, schließlich wird überall mit drängenden Appellen nach Zeugen für die nächtlichen Morde gesucht.
Christa Mönchinger lehnt sich mit dem Rücken an den Nachttisch und drückt mit der rechten Hand das Handy ans Ohr. Die linke hält sie sich locker vor den Mund, um so gut wie möglich ihre Stimme zu verstellen. Dass die Polizei sie als die Anruferin identifizieren kann, muss sie unbedingt vermeiden.
Nach zweimaligem Läuten meldet sich am anderen Ende eine Männerstimme. Sie klingt unwirsch und sehr kurz angebunden.
»Kreuzer. Was gibt’s denn noch?«
»Sie suchen einen Mörder«, raunt Christa und versucht, beim Reden ganz leicht zu lispeln. »Probieren Sie’s mit folgender Nummer.« Christa macht eine kleine Pause, um dem Beamten Zeit zu geben, nach einem Stift zu greifen. Schließlich hat sie nicht die Absicht, die Zahlenfolge zweimal aufzusagen. Und außerdem hat sie vergessen, sich die verdammte Nummer aufzuschreiben, fällt ihr siedendheiß ein. Christa Mönchinger nimmt schnell das Handy vom Ohr, um im Speicher danach zu suchen.
»Hallo? Sind Sie noch dran?« Die Stimme des Kommissars klingt aufgeregt.
Christa hütet sich davor, auf die Frage zu antworten. Nur nicht zu viel reden. Fieberhaft durchkämmt sie ihr Handy. Zweimal vertippt sie sich, dann hat sie die gesuchte Nummer auf dem Display. Ohne ein weiteres Wort nennt Christa die Zahlen. Langsam und deutlich, eine nach der anderen, aber sorgfältig lispelnd. Nach der letzten Zahl legt sie unverzüglich auf.
Sie lässt das Handy zu Boden fallen, schließt die Augen und lässt sich selbst auch langsam zurückgleiten, bis sie neben ihrem Bett wieder auf der unverletzten Hüfte liegt. Geschafft. Jetzt ist es an der Polizei, zu ermitteln und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Mehr kann sie selbst nicht tun. Es bleibt ihr nur noch eines, und das wird schwer genug werden. Sie wird ihrem Bruder verzeihen müssen.
Erst jetzt kommen Christa Mönchinger die Tränen.
Donnerstag, 23. Juni, 16.27 Uhr,
Kriminalkommissariat, Westerland
»Hallo? Hallo, sind Sie noch dran?«, brüllt Bastian ins Telefon, obwohl das Unterbrechen der Verbindung deutlich war. Mit fragenden Blicken stehen Silja und Sven neben der Tür. Der Anruf hat die drei Kommissare nur wenige Sekunden vor ihrem Aufbruch erreicht.
»Was ist denn los? Wer war das überhaupt«, will Silja jetzt wissen.
»Wenn ich das wüsste«, stöhnt Bastian und starrt auf den Zettel, auf dem er eine Zahlenfolge notiert hat. »Ich kann noch nicht mal sagen, ob Mann oder Frau. Die Stimme war ziemlich undeutlich, aber eher hell. Da hat sich jemand richtig Mühe gegeben, nicht erkannt zu werden. Er oder sie hat gelispelt, keine Ahnung, ob das gestellt war oder nicht. Und die Nummer war natürlich unterdrückt«, fügt Bastian mit einem kurzen Blick aufs Display hinzu.
»Ist doch jetzt auch egal.« Sven fährt sich mit beiden Händen durchs Haar und bringt seine Locken heillos durcheinander. »Wir können das Gespräch eh nicht zurückverfolgen. Was hatte der Anrufer denn so Wichtiges mitzuteilen?«
Bastian liest die Ziffernfolge von seinem Notizzettel ab.
»Bei dem Anfang wird das eine Handynummer sein«, stellt Silja fest.
Bastian nickt. »Außer dieser Nummer hat der Anrufer nur noch einen einzigen Satz gesagt …«
»Und?«
»Sie suchen einen Mörder. Vielleicht war es auch: Suchen Sie nicht einen Mörder? Irgend so etwas in der Art. Und dann hat er oder sie gemeint, dass ich diese Nummer wählen soll.«
Wortlos greift Sven nach seinem Telefonanschluss und tippt die Ziffern ein. Während er auf das Zustandekommen einer Verbindung wartet, herrscht gespannte Stille im Raum. Doch als Sven nach über einer Minute das Gerät auflegt, ist keiner der drei Ermittler wirklich überrascht.
»Warum sollte auch zur Abwechslung mal etwas klappen«, stellt Bastian lakonisch fest. »Die Frage ist jetzt nur, wie wir weiter verfahren.«
»Wir sollten
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