Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
wollte nach Hause, aber er hatte sie gut bezahlt, und sie mochte nicht unhöflicher sein als nötig.
Die Betonwände des Rohbaus leuchteten blau im Licht einer nahen Laterne. Der Baustellenzaun ließ sich leicht zur Seite schieben, Fenster und Türen des Hauses fehlten noch, aber die Treppe zum Obergeschoss war wenige Tage vorher gegossen worden. Judith fand den Schnitt der Wohnung langweilig und den von Arne beschriebenen Standard eher minderwertig, doch sie lobte alles in den höchsten Tönen.
Als sie sämtliche Räume in dem mageren Licht der Straßenlaterne besichtigt hatte und gerade Arnes zukünftiges Badezimmer verlassen wollte, verstellte er ihr den Weg. Judith hielt es für einen schlechten Witz und lehnte sich mit einer spöttischen Bemerkung an das Fallrohr der Toilette. Arne antwortete nicht auf Judiths Provokation, sondern war mit zwei Schritten bei ihr, legte den linken Oberarm quer über Judiths Brustkorb und schob die rechte Hand schnell und brutal unter Judiths kurzen Rock. Grob zog er an ihrem Slip, sein Mund lächelte immer noch, die Augen taten es längst nicht mehr.
Judith redete konzentriert gegen das Lächeln in Arnes Gesicht an. Als das nichts half, versuchte sie, Arne von sich zu stoßen, doch er war viel kräftiger als sie. In seinem Gesicht stand weiterhin dieses Lächeln, es machte sie wahnsinnig, es war wie festgefroren, wirkte harmlos und fast dümmlich. Doch das scharfe Geräusch des reißenden Slips und der Schmerz, den das straff gespannte Gummiband auf der Haut ihrer Schenkel hinterließ, zeigten Judith deutlich, dass die Situation alles andere als harmlos war.
Nachdem Arne das lästige Hindernis zwischen Judiths Beinen entfernt und in eine Ecke der unfertigen Nasszelle geworfen hatte, umschloss er mit der rechten Hand Judiths Kehle. Judith bekam keine Luft mehr. Sie musste all ihre Konzentration aufwenden, um durch einen winzigen Spalt in kleinsten Portionen ihren Atem zu pressen. Sie spürte kaum die Schläge ins Gesicht und auch nicht den Schmerz, als Arne sie beim Umdrehen gegen ein gemauertes halbhohes Podest schleuderte. Der Hieb in den Magen brachte sie sofort dazu, ihren Oberkörper tief über den Betonklotz zu beugen.
Als Arne in sie eindrang, war Judith fast erleichtert. Tatsächlich hörte er auf, sie zu schlagen, und Judith hütete sich davor, sich zu wehren. Arne brauchte eine Ewigkeit, bis er seinen Samen auf den blauen Beton neben Judiths Füße spritzte. Der Banker mochte wütend über Judiths Verweigerung sein, aber seine Wut war nicht ausreichend groß, um ihn vergessen zu lassen, dass eine unerwünschte Schwangerschaft ein sicher unpassendes Souvenir dieses Abends sein würde.
Während Arne seine Hose hochzog, hieb er Judith, die sich immer noch an dem Betonpodest festhielt, heftig mit der Faust zwischen die Beine. Judith verlor den Halt und rutschte zu Boden. Als sie aufsah, war Arne weg. Sie hörte das Geräusch seines startenden Wagens auf der Straße. Ein Aufheulen, quietschende Reifen, dann Stille.
Halbtot vor Angst und Scham ist sie erst eine Ewigkeit nach seinem Verschwinden im Schutz der Nacht durch die halbe Stadt zurück in ihre Wohnung geirrt. Obwohl Judith die Handtasche mit dem Handy und dem Geld bei sich trug, hat sie kein Taxi gerufen. Sie hat auch in dieser Nacht kein Krankenhaus aufgesucht, sondern sich heute von einer befreundeten Ärztin in deren Mittagspause behandeln lassen. Auf die drängenden Nachfragen der Medizinerin hat Judith geschwiegen. Als jetzt ihr Handy klingelt, ist sie fast sicher, dass es die Ärztin sein wird. Und nur aus Gewohnheit schaut sie aufs Display. Silja am Strand. Der Wind weht ihr die Haare ins Gesicht, und sie lacht ein wenig verschämt. Am letzten Wochenende war noch alles in Ordnung, denkt Judith. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass ausgerechnet mir so etwas passiert. Und vielleicht aus Sehnsucht nach diesen heilen Tagen, nimmt Judith den Anruf der Freundin an. Kaum hört sie die vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung, bricht sie zusammen. Stockend erzählt Judith das Vorgefallene. Es tut unerwartet gut, das Leid zu teilen.
Silja schweigt lange, dann sagt sie energisch: »Ich komme zu dir.«
»Nein, lass nur. Ich will lieber allein sein. Du hast mir schon durch dein Zuhören sehr geholfen.«
»Bist du sicher, dass du niemanden brauchst?«
»Ja, ganz bestimmt. Aber du hattest doch eine Frage.«
»Das ist nicht wichtig.«
»Doch, bitte. Vielleicht lenkt es mich ab.«
»Okay. Es geht um den
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