Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
freue mich auch, mal wieder mit Ihnen zu telefonieren.«
»Sparen Sie sich Ihre billige Ironie für anderes auf. Ein guter Bekannter rief mich gerade an. Ich hab gedacht, ich trau meinen Ohren nicht. Seid ihr auf der Insel jetzt völlig durchgedreht? Seit wann werden bei uns ehrbare Bürger ohne ersichtliche Gründe festgenommen? Wir leben immer noch in einem Rechtsstaat.«
»Wenn Sie das sagen … Darf ich erfahren, woher Sie wissen, wen wir vorhin festgenommen haben?«
»Das geht Sie gar nichts an. Viel wichtiger ist: Was werfen Sie Jens-Uwe Behrmann eigentlich konkret vor?«
»Einen Mord?«
»Und was soll das Fragezeichen am Ende ihrer Aussage?«
»So deutlich war das zu hören?«
»Ja. So deutlich war das zu hören.«
Bastian Kreuzer holt tief Luft. Wenn er diese Schlacht gegen die offensichtlich sehr aufgebrachte Staatsanwältin gewinnen will, dann braucht er scharfe Waffen. Und einen hellwachen Verstand. Mit dem Ellenbogen öffnet er die Tür der Nordseeklinik und wendet sich sofort nach Westen, dem Wind und dem Meer zu.
»Frau von Bispingen, bei allem Respekt, aber wollen Sie nicht wenigstens diese Nacht abwarten, bevor Sie mich zusammenfalten? Wir haben hier auf der Wache zwei dringend Tatverdächtige, und es wäre gut möglich, dass wir schon morgen früh …«
»Zwei, sagten Sie?«, unterbricht ihn die Staatsanwältin mit kalter Stimme.
»Ganz genau.«
»Wer ist der zweite?«
»Ein Journalist. Wir haben ihn in Behrmanns Westerländer Wohnung aufgegriffen.«
»Was haben jetzt eigentlich alle immer mit dieser Wohnung?«
»Man sieht vom Fenster aus die Fundorte beider Frauenleichen.«
»Von meinem Fenster aus sieht man eine große Kreuzung. Trotzdem bin ich nicht an jedem Verkehrsunfall schuld.«
»In der Wohnung hat die Spurensicherung Haare von einer der Toten gefunden«, setzt Kreuzer noch einmal an, wird aber sofort von Elsbeth von Bispingen unterbrochen.
»Wie auch immer. Es ist völlig absurd, einen angesehenen Staatsbürger des Mordes zu verdächtigen, nur weil ihm die falsche Wohnung gehört. Behalten Sie Behrmann meinetwegen über Nacht in Gewahrsam, aber klären Sie die Sache bis morgen früh. Haben wir uns verstanden?«
Bastian Kreuzer nickt seufzend. Als ihm etwas verspätet einfällt, dass die Staatsanwältin seine Reaktion ja nicht sehen kann, hat Elsbeth von Bispingen schon längst aufgelegt.
Bastian behält das Handy in der Hand und drückt schnell eine andere Nummer. Als die Angerufene sich meldet, sagt er leise: »Ich war beim Arzt.«
»Gut. Und? Was hast du?«
»Hand verstaucht. Haut geritzt. Beule am Kopf. Nichts Schlimmes.«
»Und jetzt bin ich dran?«
»Genau.«
»Morgen Abend? Acht Uhr?«
»Aber nicht bei Tino, oder?«
»Warst du schon mal im Söl’ring Hof ?«
»Lassen die mich da rein?«
Silja lacht. »Wenn du mit mir kommst, dann schon.«
»Das beruhigt mich. Übrigens: Bis morgen früh müssen wir Behrmann entweder überführt oder freigelassen haben. Befehl von ganz oben.«
»Sven hat mir schon erzählt, dass du jetzt häufiger mit Frau von Bispingen flirtest«, antwortet Silja amüsiert.
»Das ist überhaupt nicht komisch, du hättest sie mal hören sollen«, empört sich Bastian.
»Wo bist du?«, unterbricht ihn die Kollegin.
»Immer noch an der Nordseeklinik. Warum?«
»Ich habe vor zehn Minuten herausgefunden, in welcher Bank das Schließfach ist, zu dem Marga Mönchingers Schlüssel passt. Der Filialleiter ist schon unterwegs, und Sven und ich wollten gerade aufbrechen.«
»Wo soll ich hinkommen?«, fragt Bastian atemlos.
Donnerstag, 23. Juni, 23.41 Uhr,
Saferaum der Bank, Westerland
Das Sicherheitstor öffnet sich leise summend. Dahinter liegt der Tresorraum. Hunderte von eintönig grauen Stahltürchen verbergen die Schließfächer. In den oberen Reihen die flachen, etwa fünf Zentimeter hohen, die allenfalls Platz für Schmuck oder einige Unterlagen bieten. In der Mitte die doppelt so großen, in denen man schon einen DIN-A4-Ordner verstauen könnte. Und ganz unten die größten, in die auch mehrere Stahlkassetten gleichzeitig passen würden.
Marga Mönchinger hat eines der kleinen Fächer gemietet.
»Sie hatte Glück, dass überhaupt eins frei war«, erklärt der Filialleiter, der immer noch seine Bowlingjacke trägt. »Normalerweise haben wir sogar eine Warteliste.«
Bastian Kreuzer, Sven Winterberg und Silja Blanck nicken unkonzentriert. Allen dreien steht die Anspannung im Gesicht geschrieben. Doch für den Filialleiter
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