Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
Frau ist nur verschwunden und nicht tot, oder?«
»Jedenfalls haben wir sie noch nicht gefunden.«
»Und Ihre These dazu?«
Elsbeth von Bispingens Stimme klingt ungeduldig. Bastian weiß, jetzt kommt es auf jedes Wort an. Wenn er sie nicht spontan überzeugen kann, dann wird er sich an ihr die Zähne ausbeißen.
»Vielleicht hat der holde Gatte beide Damen umgebracht und nur die käufliche ausgestellt. Er hofft, dass wir annehmen, es handle sich um einen Serienmörder, und uns dumm und dämlich nach seiner Frau suchen. Und während wir versuchen, sie zu retten, lacht er sich heimlich ins Fäustchen.«
»Weil er die Prostituierte nur zum Schein getötet hat?«
»Um von den wahren Motiven abzulenken, genau.«
Bastian Kreuzer hält den Atem an. Hat er sich verhört, oder geht die Bispingen tatsächlich auf seine Argumentationslinie ein? Immerhin klingt ihre Stimme nicht ganz ablehnend.
»Nehmen wir mal an, so wäre es gewesen. Was können Sie dem Verdächtigen jetzt schon nachweisen? Nach meinen Informationen war die Leiche vollkommen clean.«
»Bis auf die Spermareste in der Scheide. Wir lassen gerade die sichergestellte DNA mit der von Mönchinger vergleichen – das ist der Verdächtige.«
»Selbst wenn es Übereinstimmungen gibt, heißt das nur, dass er kurz vor der Tat Geschlechtsverkehr mit ihr hatte …«
»… den er uns verschwiegen hätte.«
»Okay …«
Am anderen Ende der Leitung zieht die Staatsanwältin den letzten Laut in die Länge, und Bastian stellt sich auf eine dieser unangenehmen Wartezeiten ein, die er aus früheren Telefonaten kennt. Doch heute fällt die Bispingen erstaunlich schnell eine Entscheidung.
»Sie bekommen den Bescheid, Kreuzer. Setzen Sie den Typen fest und suchen Sie mit allen Mitteln nach der verschwundenen Ehefrau. Seit wann läuft die Vermisstenmeldung?«
Scheiße, denkt Bastian entsetzt, jetzt ist sie mir draufgekommen.
»Ich gebe sie gleich raus«, bekennt er kleinlaut.
»Sie geben die Vermisstenmeldung gleich raus?« Elsbeth von Bispingens Stimme ist plötzlich sehr leise geworden. »Habe ich richtig gehört? Die Frau ist seit Donnerstagnacht verschwunden. Jetzt ist Dienstag. Das ist ganze fünf Tage her.«
»Wir dachten anfangs, es habe einen Streit zwischen den Eheleuten gegeben, und sie sei einfach abgehauen.«
»Und wer sagt Ihnen jetzt, dass es nicht genauso war?«, ätzt die Staatsanwältin.
»Es gibt widersprüchliche Aussagen von diesem Mönchinger und seiner Schwester, die in der Tatnacht auch anwesend war.«
»Schwester, soso, nett, dass ich auch schon von der erfahre.« Die Stimme der Staatsanwältin trieft jetzt vor Hohn. »Scheinen ja sehr strukturierte Ermittlungen zu sein, die Sie da auf der Insel führen, Herr Hauptkommissar. Aber ich will mich nicht weiter darüber auslassen. Für heute nur so viel: Geben Sie sofort eine Suchmeldung nach der Ehefrau raus. Und zwar über alle Medien, verstanden? Machen Sie richtig Druck. Und wenn das nichts hilft und die Dame verschwunden bleibt, tja, dann weiß ich auch nicht weiter.«
»Ich kümmere mich sofort darum, Frau von Bispingen. Und ich werde auch morgen gleich eine Kollegin nach Bremen schicken, dort lebt der Bruder der Gesuchten.«
»Bruder, Schwester, das scheint ja ein ganzes Familienkomplott zu sein, was sich da auftut. War das im letzten Jahr nicht ganz ähnlich, als Sie diesen betrügerischen Hotelmanager mitsamt seiner Schwester verdächtigten? Hat man das jetzt bei Ihnen auf der Insel, ja?«
»So ist es, Frau von Bispingen. Familienfehden sind bei uns zurzeit der letzte Schrei, wussten Sie das nicht?«, giftet Bastian zurück. Er weiß, dass es falsch ist, was er tut, aber manchmal kann sich auch der gutwilligste Mensch nicht mehr beherrschen. Zu seiner großen Überraschung lacht die Staatsanwältin am anderen Ende der Leitung. Das Lachen klingt erstaunlich jung und unverstellt.
»Sie sind ja ein ernst zu nehmender Sparringspartner, Kreuzer. Sehr schön. Das werde ich mir merken, echte Widersacher sind rar gesät. Also, sehen Sie zu, dass Sie Tempo in die Sache bringen, und dann schaukeln wir das Kind schon.«
Wie üblich beendet die Staatsanwältin das Gespräch ohne Abschiedsgruß. Bastian Kreuzer atmet tief durch, beglückwünscht sich innerlich zum gewonnenen Gefecht und beginnt sofort, die Vermisstenanzeige aufzusetzen.
Dienstag, 21. Juni, 14.00 Uhr,
Psychotherapeutische Praxis
Manfred Pabst, List
Lang ausgestreckt liegt der Analytiker auf seiner Behandlungsliege. Er
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