Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
Funkeln in den Augen ihres Gegenübers nicht gesehen.
Fast zeitgleich klingelte das Handy, das eben noch den Walkürenritt gespielt hatte. Der lüsterne Gesichtsausdruck verschwand, das Gespräch wurde angenommen, allerdings sehr schnell in den Nebenraum verlegt. Die Tür ist schon seit geraumer Zeit fest verschlossen, Marga kann kein einziges Wort verstehen, nur ein beunruhigendes Murmeln ist zu vernehmen.
Was wird geschehen, wenn das Gespräch beendet ist? Oder ist es vielleicht nur darum gegangen, ihr zu drohen und sich an ihrer Angst zu weiden? Auch die Rasierklinge hat schließlich keinerlei Schaden auf ihrer Haut hinterlassen. Die Scham- und Achselhaare werden nachwachsen, doch die Erfahrung von Panik und vollständiger Erniedrigung wird Marga für immer erhalten bleiben. Sie hat gedacht, dass nichts schlimmer sein kann, doch jetzt beginnt sie zu ahnen, dass dies alles nur der Anfang gewesen ist.
Die plötzlich einsetzende Atemnot treibt ihr den Schweiß aus den Poren. Sie wird das hier nicht durchhalten. Hektisch saugt Marga die Luft durch die Nase ein. Der Gestank des Knebels in ihrem Mund scheint von Sekunde zu Sekunde intensiver zu werden, er bereitet ihr starken Brechreiz. Aber sie weiß genau, wenn sie sich übergibt, ist sie verloren. In wenigen Sekunden erstickt. Doch jetzt weicht ihre diffuse Panik einer sehr viel konkreteren Angst. Denn das Telefonat im Nebenraum ist beendet, und die Tür öffnet sich.
Der irre Gesichtsausdruck des Hereintretenden lässt Marga alle bisherigen Sorgen vergessen.
Dienstag, 21. Juni, 13.10 Uhr,
Kriminalkommissariat Westerland
Es gibt viele Dinge an seinem Beruf, die Bastian Kreuzer besonders mag. Das Kombinieren zum Beispiel. Oder die Teamarbeit. Es gibt auch einige Dinge, die er weniger mag. Dazu gehört auf jeden Fall das Berichteschreiben. Aber es gibt nur eine Sache, die Hauptkommissar Bastian Kreuzer hasst wie die Pest. Und das sind die Telefonate mit Elsbeth von Bispingen, der Flensburger Staatsanwältin mit den Haaren auf den Zähnen.
Seit Jahren schon ist Bastian insgeheim davon überzeugt, dass diese Dame mit Vergnügen jeden Morgen einen Kripobeamten frühstückt. Und er kann nur hoffen, dass sie dies heute früh schon getan hat und sein Anruf sie jetzt in einer Art Verdauungstätigkeit antrifft, die ihm vielleicht eine freundliche Aufnahme beschert.
Schnell, damit er es sich nicht noch anders überlegt, wählt Bastian die Flensburger Nummer. Am anderen Ende wird sofort abgenommen. Ein schlechtes Zeichen, wie Bastian findet. Und tatsächlich klingt die Staatsanwältin ganz danach, als habe sie seit Stunden vor dem Telefon gelauert und auf eine dicke, fette Versagerbeute zum Nachtisch gehofft.
Nachdem Bastian seinen Namen genannt hat, legt die Bispingen sofort los.
»Seit wir Sie nach Sylt versetzt haben, scheint die Kriminalitätsrate auf der Insel zugelegt zu haben. Muss ich da einen Zusammenhang vermuten?«
»Sie glauben doch nicht wirklich, ich hätte die Prostituierte umgebracht, um meinen Arbeitsplatz zu sichern«, versucht es Bastian mit einem Witz.
Dass die Staatsanwältin über größere Mengen an schwarzem Humor verfügt, ist ihm nicht neu. Dass sie ihn aber auch zur Ironisierung ihrer eigenen Person einsetzen kann, schon eher. Entsprechend überrascht ihn ihre die Antwort.
»Na ich war’s auch nicht, Herr Hauptkommissar. So sehr liegt mir Ihr Arbeitsplatz nämlich nicht am Herzen. Wer also könnte es dann gewesen sein?«
»Wir haben einen Verdächtigen, Frau von Bispingen.«
»Wie schön für Sie. Besteht denn auch die Spur einer Chance, dass Sie ihm die Tat nachweisen können?«
»Nur weil wir im letzten Sommer zweimal die Falschen erwischt haben, heißt das noch nicht, dass uns das in diesem Fall wieder passiert.«
»Kommen Sie zur Sache, Kreuzer. Meine Zeit ist knapp.«
Bastian seufzt. Das Vorgeplänkel ist beendet, jetzt gilt es zu überzeugen.
»Gern. Es gibt hier auf der Insel eine merkwürdige Kombination von Ereignissen. In derselben Nacht nämlich, in der die Prostituierte ermordet wurde, verschwand die brave und unbescholtene Ehefrau eines Westerländer Geschäftsmanns. Und zwar spurlos. Sie hatte in Körperbau und Haarfarbe große Ähnlichkeit mit der Ermordeten, und ihr Mann hat sie gleich am nächsten Morgen als vermisst gemeldet.«
»Bisher kann ich darin noch nichts Verwerfliches erkennen.«
»Seine Angaben über den Verlauf der fraglichen Nacht waren falsch. Er hat kein Alibi für die Tatzeit.«
»Aber seine
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