Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
Gründlichkeit hat er nämlich gestern Abend darauf bestanden, die Vernehmung Hubert Mönchingers zu verschieben, sondern weil er innerlich trotz aller Indizien immer noch nicht von dessen Schuld überzeugt war.
Selbst nach dem nächtlichen Schlaf ist das so geblieben. Allerdings spielt es kaum noch eine Rolle. Denn Bastian weiß genau, heute ist der Verdächtige fällig. Und wenn er ihn erst einmal kräftig in die Zange nimmt, dann wird dieser Schlappschwanz auch gestehen.
Vorausgesetzt, er war es , wagt ein schwaches Stimmchen in Bastians Hirn einzuwenden.
Halt die Klappe , murmelt der Hauptkommissar leise, steht auf, geht ins Bad und putzt sich die Zähne.
Donnerstag, 23. Juni, 05.13 Uhr,
Weststrand, Westerland
Der Rücken tut weh. Und der Arsch. Die Kniekehlen sind taub, dafür kribbelt es in den Armen. Und der Kopf explodiert gerade in Turbogeschwindigkeit.
Fred Hübner schlägt ein Auge auf. Was er sieht, ist grau. Morgengrau mit etwas Rosa am Rand. Das Meer schwappt schlapp über den Sand, halbverdeckt von der Seitenkante des Strandkorbs, in dem Fred sitzt. Ihm wird schlecht. Er beugt sich nach vorn und erbricht sich in den Sand, genau zwischen die weit gespreizten Beine. Danach geht es ihm etwas besser. Mit Betonung auf etwas , wohlgemerkt. Denn eigentlich geht es ihm immer noch beschissen. Kein Wunder, wenn er an die vergangene Nacht denkt. Wobei es da so viel gar nicht zu denken gibt, denn selbst wenn er sich Mühe gibt, kann er sich an kaum etwas erinnern.
Natürlich, da war das abendliche Date mit Jens-Uwe Behrmann, seine Überraschung über den Alkoholkonsum des Politikers und sein waghalsiger Entschluss, es ihm gleichzutun. Blöde Idee, denkt Fred gerade und kotzt gleich noch einmal in den Sand. Danach steht er auf. Er ist vielleicht ein rückfälliger Alkoholiker, aber so tief gesunken, dass er vor einer Lache des eigenen Erbrochenen sitzen bleibt, ist er noch nicht. Schwankend tastet Fred Hübner sich zwischen den eng stehenden Strandkörben entlang. Alle sind leer, zum Glück, er ist im Moment sicher kein erfreulicher Anblick. Hoffentlich war das gestern Abend anders. Jedenfalls so lange, wie er mit dem Politiker zusammen war. Aber wie lange war das eigentlich? Langsam kommen einige Erinnerungsreste zurück. Erst das Restaurant mit den verwinkelten Räumen, dann eine schummrige Bar im Bahnhofsviertel, anschließend eine dreckige Alkoholiker-Bude direkt hinter den Gleisen. Fred bleibt stehen und stützt sich an einem Strandkorb ab. Mit der freien Hand reibt sich der Journalist die Augen und kneift sich anschließend in den Hals. Es tut weh, also ist er wach. Und er erinnert sich noch an diesen Kiosk und den Politiker, der zum Abschied nicht nur ihm, sondern auch dem grenzdebilen Alkoholverkäufer das Du angeboten hat. Fred fasst es nicht. Jens-Uwe Behrmann muss doch von allen guten Geistern verlassen sein, wenn er vor Zeugen solch einen Scheiß verzapft.
Kopfschüttelnd stößt sich Fred von dem Strandkorb ab. Er hätte besser beides lassen sollen. Das Kopfschütteln und das Abstoßen. Jetzt liegt er im Sand und hat keinen Schimmer, wie er jemals wieder aufstehen soll.
Ist eigentlich Jens-Uwe, sein neuer Duzfreund, auch noch mit an den Strand gekommen? Gute Frage. Fred kann sich beim besten Willen nicht erinnern. Wozu auch? Helfen könnten sie sich heute früh gegenseitig nicht mehr. Obwohl Behrmann fast mit dem Trinken aufgehört hat, nachdem Fred richtig in das Spiel eingestiegen war. Oder täuscht er sich da? Ist das sein schlechtes Gewissen, das jetzt alle Schuld auf ihm selbst ablädt?
Er war es jedenfalls, der, nachdem er einmal angefangen hatte, nicht mehr aufhören konnte. Nicht mehr aufhören wollte. Zu betörend waren Geschmack und Aroma des Alkohols, zu verführerisch war die Gewissheit, dass er sich diesmal seinen Rausch in gepflegter Gesellschaft antrank und damit quasi auch noch seinen beruflichen Ambitionen diente. Und ist das nicht immer noch so? Was macht es da schon aus, dass er jetzt hier liegt, hilflos wie eine Krabbe im Sand, die trotz langer Suche das Meer nicht mehr findet?
Nein Fred muss sich korrigieren. Das ist ein ganz und gar unzutreffender Vergleich. Er sucht nämlich gar nichts, sondern hat im Gegenteil schon die große Wundertüte gefunden. Und was ist drin? Zweierlei. Eine Aufgabe, die Ehre und Profit gleichermaßen verspricht, und ein Verbündeter, der ihm auf eine nicht unangenehme Weise ausgeliefert ist. Wäre Fred nicht so hundeelend zumute, würde er
Weitere Kostenlose Bücher