Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
klappen?«
»Erinnert ihr euch an die dunklen Haare auf dem Kopfkissen der Toten?«, unterbricht ihn Leo Blum.
»Die, die wir in ihrer Wohnung gefunden haben?«, fragt Sven.
»Im Auto hat sie meines Wissens nicht geschlafen«, gibt Blum unfroh zurück. »Also diese Haare stammen nicht von einem möglichen Freier, sondern tatsächlich von ihrer eigenen Perücke.«
»Toll. Habt ihr sonst noch Spuren gefunden?« Bastian bemüht sich gar nicht erst, seine Frustration zu verbergen.
»Einiges. Interessant ist vor allem das, was an Prints in ihrem Arbeitszimmer an den Möbeln klebte.«
»Hast du eben Arbeitszimmer gesagt?« Sven grinst.
»Wie würdest du es nennen? Behandlungsraum? Das Bett war schließlich ihr Arbeitsplatz.«
»Und was habt ihr jetzt genau gefunden?«, unterbricht Bastian die beiden ungeduldig.
»Diverse Fingerabdrücke zum Beispiel. Kannst du dir ja vorstellen.«
»Kann ich. Und? Bringt uns das weiter?«
»Leider nicht. Kein einziger ist in unserer Kartei.«
»Also alles unbescholtene Bürger, die bei ihr die Sau rausgelassen haben.«
»Genau.«
Bastian flucht leise, dann reißt er sich zusammen. »Wir sollten uns einfach an Hubert Mönchinger halten. Die Indizien sind erdrückend. Wenn wir ihn gleich in die Mangel nehmen, dann werden wir bestimmt …« Das Klingeln des Telefons unterbricht ihn.
»Winterberg, Kriminalpolizei«, meldet sich Sven unwirsch und verdreht gleich darauf die Augen. »Du hast dich verwählt, Kleine. Du sprichst mit der POLIZEI.«
Doch plötzlich wird der Oberkommissar still und lauscht aufmerksam ins Telefon. Nach wenigen Sekunden stellt er den Apparat auf Zimmerlautsprecher. Die Stimme eines Mädchens ist zu hören.
»Ja und dann saß da die Frau. Ich dachte erst, die darf doch gar nicht in unserem Strandkorb sitzen und hab ihr das auch gesagt, aber sie hat sich überhaupt nicht bewegt. Dann habe ich sie angefasst und wollte sie da wegziehen, aber sie war ganz kalt, und ich glaube, ich glaube …« Die Stimme bricht und Schluchzen dringt durch die Leitung.
»Es ist gut, dass du uns gleich angerufen hast.« Sven Winterbergs Stimme klingt leise und beruhigend. »Wo bist du genau? Kannst du das beschreiben?«
»Ganz am Ende vom bewachten Strand. Fast schon in Wenningstedt. Meine Eltern wollen nicht so gern im Trubel sein, sagen sie immer. Wir haben hier den letzten Strandkorb, da sind wir jedes Jahr.«
»Musst du nicht in die Schule? Wie alt bist du denn?«, erkundigt sich Fred.
»Zehn. Meine Eltern haben mich beurlauben lassen.«
»Und wo sind deine Eltern jetzt?«, unterbricht Sven das Mädchen.
»Die kommen gleich. Ich war mit dem Fahrrad schneller, hab’s angeschlossen und bin schon mal vorgelaufen. Das mache ich immer, aber jetzt weiß ich gar nicht … ist die Frau tot?«
»Das kann ich dir erst sagen, wenn wir da sind. Am besten, du bleibst beim Strandkorb und lässt niemanden in die Nähe. Wir beeilen uns. Schaffst du das?«
Am anderen Ende der Leitung entsteht eine Pause. Dann flüstert das Mädchen: »Ich hab Angst.«
»Musst du nicht.« Sven greift nach Handy und Autoschlüsseln. Bastian und Leo warten schon an der Tür. »Wenn deine Eltern kommen, ist es wichtig, dass sie nichts anfassen. Das gilt auch für alle anderen Leute. Du musst sie warnen, hörst du?«
»Ja, ist gut«, antwortet das Mädchen. Überzeugt klingt es nicht.
Sven Winterberg denkt an seine eigene Tochter. Es fällt ihm nicht schwer, sich vorzustellen, wie verstört Mette in solch einer Situation wäre und welche Angst sie hätte. Allein mit einer Leiche am Strand. Doch dann kommt ihm die rettende Idee. Hektisch kritzelt der Oberkommissar die Handynummer des Mädchens, die auf dem Display angezeigt ist, auf einen Zettel. »Pass auf, ich hab eine Idee. Wir legen jetzt auf, aber nur ganz kurz. Ich rufe dich sofort von meinem Handy aus zurück. Dann sind wir die ganze Zeit in Verbindung, bis wir bei dir sind. Ist das okay?«
»Ja. Das ist gut. Bis gleich.« Das Mädchen legt auf.
Donnerstag, 23. Juni, 10.15 Uhr,
Hauptbahnhof Bremen
Knirschend kommt der Zug zum Stehen. Silja greift nach ihrem Trolley und schiebt sich durch den schmalen Gang. Ihr ist immer noch etwas flau im Magen, aber seit gestern Abend hat sie sich nicht mehr erbrochen und heute früh sogar etwas Tee und Zwieback zu sich genommen. Dass sie noch ziemlich geschwächt ist, wird ihr hoffentlich nicht anzusehen sein.
Am Ausstieg wuchtet ein junger Mann einen Cellokasten auf den Bahnsteig. Prompt beschwert
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