Männer sind Helden
Isabel also verschanzt. Ich arbeitete noch drei Stunden, dann machte ich mich auf den Weg zu Irenes und Udos Villa. Irene öffnete die Tür: „Was willst du?“
„Ich will mit Isabel sprechen!“
„Sie aber nicht mit dir. Aber das ist ja auch kein Wunder, nach dem, was vorgefallen ist, oder?“ Sie zog ihren Mundwinkel verächtlich nach unten.
„Bitte lass mich rein, Irene! Es wird nur wenige Minuten dauern.“
Sie zögerte einen Moment, dann sagte sie: „Na gut, aber wirklich nur für ein paar Minuten.“ Ich folgte ihr ins Wohnzimmer: „Bitte setz dich solange aufs Sofa. Ich werde sehen, ob Isabel bereit ist, sich mit dir zu unterhalten.“
Ich kam mir vor wie ein Verbrecher am Besuchstag. Irene hatte mir noch nicht einmal einen Drink angeboten oder auch nur meinen Mantel abgenommen. Isabel kam und setzte sich auf die vorderste Kante des Sessels, der am weitesten vom Sofa entfernt war. Sie sah blass und verheult aus. Immerhin war ich nicht der einzige, der litt. „Willst du eine Zigarette?“
Sie schüttelte den Kopf: „Nein, ich versuche gerade, mir das Rauchen abzugewöhnen.“ Wir schwiegen. Die Sekunden standen wie kleine Ewigkeiten im Raum. Schließlich wagte ich den Sprung nach vorne: „Warum bist du ausgezogen?“
Isabel verzog keine Miene, sondern blickte mich nur verständnislos an: „Ja, warum wohl?!“
„Doch nicht wegen Janine? Ich meine, es ist doch überhaupt nichts passiert!“
„Nichts passiert!“, schrie Isabel wütend und ließ sich in den Sessel zurückfallen. „Wäre nur etwas passiert, wenn ich euch nackt und übereinander erwischt hätte?“
„Nein, natürlich nicht“, erwiderte ich und bemühte mich, meinem Tonfall einen besänftigenden Klang zu geben. „Aber das kann doch nicht der einzige Grund sein. Wir haben uns doch gut verstanden, oder?“
Isabel rückte wieder nach vorne auf die Kante des Sessels: „Weil es im Bett so toll geklappt hat, oder was meinst du?“
„Das auch, aber wir haben uns auch gut miteinander unterhalten können, oder?“
Isabel warf ihren Kopf in den Nacken: „Dass ich nicht lache! Jedem wirklichen Gespräch bist du aus dem Weg gegangen. Ja, wenn es um deine Arbeit ging und deine Interessen, dann konntest du stundenlange Monologe halten. Aber was hat das denn mit einer persönlichen Unterhaltung zu tun?“
„Aber warum hast du nie etwas gesagt? Ich hätte versucht, mich zu ändern!“
„Das versprechen alle Männer, wenn man ihnen die Pistole auf die Brust setzt.“ Sie machte eine kurze Pause und blickte mich herausfordernd an. Dann fügte sie hinzu: „Außerdem bist du zu alt, um dich noch zu ändern.“
Damit war für sie das Gespräch beendet. Ich fuhr frustriert nach Hause in meine leere, kalte Wohnung. Auf der Treppe sah ich meine Post durch, die ich aus dem Briefkasten geholt hatte. Neben den üblichen Rechnungen und Kontoauszügen war auch ein Winterurlaubsprospekt dabei. Ein Woche Skifahren, das wäre jetzt genau das Richtige, dachte ich, und blätterte den Prospekt auf dem Sofa durch.
Nach einigen Minuten fand ich, wonach ich suchte. Eine Woche im Vier-Sterne-Hotel in Tirol, mit Sauna, Whirlpool und Skipass für die Hälfte des üblichen Preises, denn die eigentliche Saison begann erst in den Osterferien. Ich rief sofort Udo und Rudi an. Die beiden hatten große Lust mitzukommen, wussten aber noch nicht, ob sie sich frei nehmen konnten. Sie versprachen, am nächsten Tag Bescheid zu sagen.
Am späten Nachmittag gaben Rudi und Udo grünes Licht, und ich buchte für uns eine Woche Vollpension. Fünf Tage später fuhren wir mit Rudis Auto, das bis in den letzten Winkel mit Skiklamotten voll gepackt war, los. Isabel hatte sich bis dahin nicht gemeldet, aber das war mir auch egal. Das Hotel übertraf noch unsere Erwartungen. Es stand mitten in einem idyllischen Dorf, mit herrlichem Blick auf die Berge. Wir kamen in der Nacht an, und der Portier zeigte uns unsere Zimmer. Mit einem Seufzer ließ ich mich auf das breite Doppelbett fallen. Udo und Rudi waren müde von der Reise, deshalb verschwanden die beiden gleich in ihrem Zimmer. Ich zog die Vorhänge auf und blickte in den klaren Sternenhimmel. Weiß und mächtig zeichneten sich die Berge in der Dunkelheit ab. Leider war in den letzten Tagen kein Schnee gefallen, aber das konnte sich ja noch ändern. Ich zog mich aus, duschte und legte mich in meinen Boxershorts ins Bett. Ich schaltete das Radio an, das auf dem Bettschränkchen stand. Typisch österreichische Volksmusik
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